{"id":679,"date":"2017-06-14T05:02:52","date_gmt":"2017-06-14T04:02:52","guid":{"rendered":"https:\/\/gegenstrom.org\/?p=679"},"modified":"2020-02-03T17:49:37","modified_gmt":"2020-02-03T16:49:37","slug":"christentum-als-wiege-des-neoliberalismus-oder-zeichen-abendlaendischer-identitaet","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/gegenstrom.org\/en\/christentum-als-wiege-des-neoliberalismus-oder-zeichen-abendlaendischer-identitaet\/","title":{"rendered":"Christentum als Wiege des Neoliberalismus oder Zeichen abendl\u00e4ndischer Identit\u00e4t?"},"content":{"rendered":"
In Zeiten des drohenden europ\u00e4ischen Untergangs scheinen sich viele Europ\u00e4er, besonders in patriotisch-konservativen bis neurechten Kreisen, auf das Christentum zur\u00fcckzubesinnen. Diesbez\u00fcglich wird immer vom Erhalt christlich-abendl\u00e4ndischer Werte gesprochen. Allen voran berufen sich die Anh\u00e4nger der patriotischen Plattform PEGIDA <\/em>(Patriotische Europ\u00e4er gegen die Islamisierung des Abendlandes) auf „<\/em>christlich-abendl\u00e4ndische Werte“. Doch stellt das Christentum in der Tat ein Synonym der abendl\u00e4ndischen Identit\u00e4t dar oder diente es nicht eher als Wegbereiter der Globalisierung liberaler Pr\u00e4gung? Zwei nationale Vordenker, wobei einer sogar als Zugpferd der Neuen Rechten gilt, sind beispielsweise Vertreter der letzten, sehr provokanten, Theorie. Es handelt sich hierbei um Dr. Pierre Krebs und Dominique Venner. Ob man dieser These tats\u00e4chlich zustimmen kann oder eher nicht, soll im Folgenden untersucht werden.<\/span><\/p>\n Betrachten wir die These von Dr. Pierre Krebs, stellt das Christentum also den Urheber des „liberalen Westens“ mit seinem Egalitarismus und Individualismus dar. Der Liberalismus wird von ihm gar als Tochterideologie bezeichnet. \u00c4hnlich argumentiert auch Dominique Venner, wenn er \u00fcber das Christentum spricht.[i]<\/a> In der Tat ist das Christentum neben weiteren Weltreligionen auch universalistisch und individualistisch ausgerichtet. W\u00e4hrend bei Volksreligionen stets das Volk im Fokus stand, richtet das Christentum sein Hauptaugenmerk auf den Einzelnen. Der Religionswissenschaftler Prof. Gustav Mensching stellte dazu in seinem Werk Volksreligion und Weltreligion <\/em>fest, dass mit dem Christentum „eine Entnationalisierung des zentralen religi\u00f6sen Anliegens vollzogen“[ii]<\/strong><\/a> <\/em>wurde. Im Christentum steckt jeder einzelne Mensch unabh\u00e4ngig von der Volkszugeh\u00f6rigkeit in einem Unheilszustand, den er nur durch Selbstverwirklichung bzw. Hingabe zu Christus \u00fcberwinden kann. Zuvor fanden Mitglieder eines Volkes ihr Heil stets in der Gemeinschaft. Mit dem Christentum hat er sich nun ein „pers\u00f6nlichstes Leben“ gewonnen. Damit r\u00fcckte also erstmalig der egozentrische Individualismus in den Mittelpunkt, den wir heutzutage auch im Liberalismus verk\u00f6rpert sehen. Eine weitere Verkn\u00fcpfung von Christentum und Liberalismus sieht Krebs in der Argumentation f\u00fcr die Legitimation der globalen Ausdehnung der beiden Lehren bzw. Ideologien. Zur Rechtfertigung f\u00fcr den expansiven Charakter des westlichen Liberalkapitalismus st\u00fctzt man sich dabei h\u00e4ufig auf die Durchsetzung von „Menschenrechten“, die allzu gern mit „christlichen Werten“ vermengt werden. Den historischen Vorl\u00e4ufer sieht er bei der Missionierung w\u00e4hrend der Kolonialzeit,[iii]<\/a> womit er auch Recht behalten sollte. Erschufen die Missionare unter dem Deckmantel der christlichen Heilslehre doch geradezu Arbeitssklaven f\u00fcr die Kolonialherren.[iv]<\/a> Anders sieht es indes nicht beim Liberalkapitalismus aus, dessen dogmatische Lehre der grenzenlosen „One-World“ nur eine grenzenlose Freiheit und Bewegung von Verm\u00f6gen und Ressourcen bedeutet. Hierbei geht es auch um den barrierefreien Transfer von modernen Arbeitssklaven. Doch dazu bedarf es, mit Attit\u00fcden der Menschenrechte, Angeh\u00f6rige eines Volkes aus ihren organisch-gewachsenen ethnischen Bindungen sowie Kulturkreisen herauszul\u00f6sen. Auch das Christentum zerst\u00f6rte mit der Missionierung der Lehre\u00a0 Christi ethnisch-gewachsene Kulturen und Identit\u00e4ten, wie beispielsweise S\u00fcdamerika verdeutlicht.[v]<\/a> Die beiden universalistischen Lehren eint zudem der Absolutheitsanspruch.<\/span><\/p>\n Obig wurde nun der universale Anspruch des Christentums und „ihrer Tochterideologien“ herausgestellt, der Menschen aus ihren ethnisch-identit\u00e4ren Bindungen herausl\u00f6st. Doch stellt sich die Frage, ob es nach globaler Verbreitung der christlichen Lehre wirklich zur absoluten Vereinheitlichung des Menschen und seiner Traditionen kam? Bei genauerer Betrachtungsweise w\u00e4re es doch zu abstrakt, wenn man von dem Christentum spricht. Es haben sich im Laufe der Zeit, seit Ausbreitung der christlichen Lehre, viele verschiedene v\u00f6lkisch-angepasste Modifikationen dieser Religion entwickelt. So ist beispielsweise der Voodoo-Zauber der afrikanischen St\u00e4mme mit dem Christentum verschmolzen, nachdem die Christianisierung auf dem Schwarzen Kontinent einsetzte.[vi]<\/a> Auch in Europa gab es etliche solcher Verschmelzungen alter heidnischer Br\u00e4uche mit dem Christentum, wobei einige sogar als Hauptbestandteile dieser Religion angesehen werden. Denken wir dabei nur an das Setzen von Maien zu Pfingsten, was auf heidnisch-germanischen Wurzeln fu\u00dft, oder an das Johannisfest, zu Ehren des Apostel Johannes des T\u00e4ufers, das eine christianisierte Form der germanisch-heidnischen Sommersonnenwende darstellt. Das Gleiche betrifft gar Ostern und Weihnachten. Die Geburt Christi, das wir auch als Weihnachtsfest kennen, ist eine christianisierte Form der Wintersonnenwende. Nach heidnisch-germanischer \u00dcberlieferung zieht Wotan bzw. Wodan mit seinem Totenheer, den Einheriern, durch die Lande und rei\u00dft die toten Seelen mit. Das ganze Spektakel nimmt am 21. Dezember seinen Lauf und endet am dritten Januar des Folgejahres. Bevor die Umstellung auf den gregorianischen Kalender erfolgte, fanden die zw\u00f6lf Rauhn\u00e4chte zwischen dem 24. Dezember und dem sechsten Januar des Folgejahres statt, was von der Kirche beibehalten wurde, denn der sechste Januar wurde zum Tag der drei heiligen K\u00f6nige umgedeutet. Die Auferstehung Christis, also Ostern, fu\u00dft auf dem germanischen Fr\u00fchlingsfest, der Tag- und Nachtgleiche. Es ist zwar wissenschaftlich sehr umstritten, dass es wirklich eine germanische Fr\u00fchlingsg\u00f6ttin Ostara gab, auf deren Namen sich Ostern ableiten lassen soll, dennoch kann mit eindeutiger Gewissheit behauptet werden, dass der Osterbrauch, au\u00dfer christlich-umgedeuteter Bezeichnungen, nicht viel Christliches aufweist. Beispielsweise stellt das Ei ein \u00dcberbleibsel aus heidnisch-germanischer Zeit dar und symbolisiert ein Lebens- und Heilssinnbild. Auch die Osterfeuer erinnern eher an natur- und sonnenreligi\u00f6se Riten.[vii]<\/a><\/span><\/p>\n Dass das Christentum germanischen Br\u00e4uchen und Traditionen nur ein christliches Tuch \u00fcberwarf, liegt nat\u00fcrlich zugrunde, dass die universale Botschaft auf eine v\u00f6lkisch differenzierte menschliche Wirklichkeit trifft. Denn die Heilsbotschaft soll jeder Mensch in seiner Sprache vernehmen und damit ist nicht nur das gesprochene Wort gemeint, sondern die Lebensweise der V\u00f6lker an sich. Die universale\u00a0 „Wahrheit“ war durch v\u00f6lkische Neu- und Umdeutung auch keineswegs\u00a0 gehindert, lie\u00df sie sich doch so leichter den V\u00f6lkern vermitteln.<\/span>[viii]<\/span><\/a><\/p>\n Einerseits kann im Christentum durchaus der Wegbereiter des Liberalismus gesehen werden, denn mit ihr wurde erstmalig der Versuch unternommen, die Menschen trotz v\u00f6lkischer und kultureller Unterschiede zu vereinheitlichen, womit der Kirche, allen voran dem Papst, universelle Macht zukam. Jedes christliche Land f\u00fchrte von nun an Ablasssteuern an den Vatikan ab.\u00a0 Mit der christlichen Lehre wurden die Grenzen also schon mal auf geistlicher und spiritueller Ebene eingerissen und auf dieser entstand eine erste Form der Globalisierung. Darauf lie\u00dfen sich die universellen Folgeideologien, wie Liberalismus und Kommunismus, nat\u00fcrlich hervorragend aufbauen.<\/span><\/p>\n Zugleich kann im Christentum aber auch ein Identit\u00e4tsstifter des europ\u00e4ischen Abendlandes betrachtet werden. Die Missionierung bzw. Christianisierung der V\u00f6lker konnte nicht allein auf dem Wege des Schwertes erfolgen, weshalb den Verk\u00fcndern der christlichen Lehre bewusst wurde, dass sie Kompromisse eingehen m\u00fcssen. Diese Kompromisse bestanden mitunter darin, heidnische Feste in christlich-konservierter Form beizubehalten. Da diese Feste heutzutage zumeist nur noch im christlichen Zusammenhang zelebriert werden, stellt das Christentum eben den momentanen Tr\u00e4ger dieser Br\u00e4uche dar, wodurch es \u00a0identit\u00e4tsstiftend wirkt. Allerdings nimmt zumindest das institutionalisierte Christentum gemeinsam mit ihrer Tochterideologie, dem Liberalismus, gegenw\u00e4rtig mehr eine identit\u00e4tszerst\u00f6rende Funktion ein. Besonders die Evangelische Kirche bildet hierbei die Phalanx. Keinerlei Protest ist von ihr zu vernehmen, wenn von Politikern „christliche“ Festtage aus R\u00fccksicht auf andere Religionen umbenannt werden sollen, denn von Weihnachten soll am besten gar nicht mehr gesprochen und durch ein Winter- oder Lichtfest ersetzt werden. Aber auch die Katholische Kirche gibt sich mittlerweile gro\u00dfe M\u00fche, christliche Werte mit liberalen Weltvorstellungen zu vermengen. Die grenzenlose Einwanderung und mit ihr einhergehende Zerst\u00f6rung europ\u00e4ischer Identit\u00e4ten rechtfertigen auch katholische W\u00fcrdentr\u00e4ger im Tenor mit Vertretern der christlichen Tochterideologie, dem Liberalismus. So weisen sie st\u00e4ndig auf „Menschenrechte“ hin, deren Ursprung schlie\u00dflich auch im Christentum zu suchen sei. [ix]<\/a>\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0\u00a0<\/span><\/p>\n [i]<\/a> Vgl. P. Krebs, Im Kampf um das Wesen. Ethnosuizid in der multirassischgen Gesellschaft der jud\u00e4ochristlichen Zivilisation des Westens oder ethnokulturelle Neugeburt Europas in der organischen Demokratie indogermanischer Pr\u00e4gung?, 2. erg\u00e4nzte Aufl., Horn u. a. 1997. S. 45; D. Venner, F\u00fcr eine positive Kritik. Das Ende der alten Rechten, hrsg. und \u00fcbers. von Robin Classen, Dresden 2017, S. 9.\u00a0<\/span><\/p>\n [ii]<\/a> G. Mensching, Volksreligion und Weltreligion, Leipzig 1938, S. 35 f.<\/span><\/p>\n [iii]<\/a> Vgl. Krebs, S. 45.<\/span><\/p>\n [iv]<\/a> Vgl.Gert F.-J. v. Paczensky, Verbrechen im Namen Christi. Mission und Kolonialismus, M\u00fcnchen 2000, S.\u00a0\u00a0<\/span><\/p>\n [v]<\/a> Vgl. v. Paczensky, S.<\/span><\/p>\n [vi]<\/a> Vgl. T. Thielke (21.11.2006), Christentum. Morgens Jesus, abends Voodoo, in: http:\/\/www.spiegel.de\/spiegel\/spiegelspecial\/d-49626792.html (Abgerufen am 05.06.2017).<\/span><\/p>\n [vii]<\/a> Vgl. W. Goegginger, Volksreligion und Weltreligion im deutschen Brauchtum, Riga 1944, S. 129-145.<\/span><\/p>\nDie Universalit\u00e4t des Christentums und des Neoliberalismus<\/h2>\n
Das europ\u00e4ische Christentum als Identit\u00e4tsstifter?<\/h2>\n
Fazit<\/h2>\n