{"id":6633,"date":"2020-03-30T18:17:05","date_gmt":"2020-03-30T16:17:05","guid":{"rendered":"https:\/\/gegenstrom.org\/?p=6633"},"modified":"2020-03-30T18:17:05","modified_gmt":"2020-03-30T16:17:05","slug":"corona-und-die-politische-krise-der-eu","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/gegenstrom.org\/en\/corona-und-die-politische-krise-der-eu\/","title":{"rendered":"Corona und die politische Krise der EU"},"content":{"rendered":"
Es ist in aller Munde. Es gibt die Leute, die die derzeitig auf uns hereinbrechenden gesundheitspolitischen Ma\u00dfnahmen f\u00fcr \u00fcberzogen halten. Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch jene, die der bundesdeutschen Regierung vorwerfen, zu sp\u00e4t gehandelt zu haben. Dann gibt es da noch eine dritte Fraktion, die glaubt, jetzt endlich einen Beleg f\u00fcr die gro\u00dfe Weltverschw\u00f6rung bekommen zu haben. Die Wetten an den B\u00f6rsen laufen hei\u00df. Ich selber werde derzeit mit Werbung f\u00fcr vermeintlich sichere Aktien und Anlagetipps \u00fcberh\u00e4uft. Wir leben in einem Zeitalter des \u00dcberflusses. Das gilt auch f\u00fcr die Informationsebene. Hier wird man permanent mit Daten geflutet, so dass das Hirn gar nicht mehr hinterher kommen kann. B\u00f6se Zungen sprechen hier nicht selten von Desinformation, weil man mit unwichtigen Daten \u00fcberh\u00e4uft wird, mit denen das Gehirn besch\u00e4ftigt werden soll und dabei keine Kapazit\u00e4ten mehr f\u00fcr die wirklich wichtigen Themen \u00fcbrigbleiben. Ich hoffe, dass sich die Neuropsychologen unter meinen Lesern jetzt nicht an dieser etwas simplifizierten Aussage \u00fcber den WYSIATI-Mechanismus bzw. den \u201eAnker-Effekt\u201c vergraulen lassen. Dennoch gehen dieser Tage aufgrund der Dominanz einer gewissen infekti\u00f6sen organischen Struktur in den Medien viele andere Themen unter. Ich m\u00f6chte dies nicht falsch verstanden wissen. Ich selber nehme die j\u00fcngsten Ereignisse sehr ernst und halte die Gleichg\u00fcltigkeit oder abstrusen Theorien, die sich um die weltweite (!) Ausbreitung von Corona tummeln, f\u00fcr verantwortungslos. Ich gehe sogar soweit, dass ich den Emittenten solcher Botschaften im besten Fall Dummheit, im schlimmsten Fall aber grobe Fahrl\u00e4ssigkeit unterstellen muss. Ungeachtet der nun mehr oder weniger gerechtfertigten Ma\u00dfnahmen, die die europ\u00e4ischen Regierungen seit geraumer Zeit ergreifen, m\u00f6chte ich jedoch auf einen wichtigen Aspekt aufmerksam machen, den in heutigen Tagen viele zu \u00fcbersehen scheinen: Die Europ\u00e4ische Union steht vor einer gewaltigen Zerrei\u00dfprobe und droht zu implodieren.<\/p>\n
Bereits im November 2019 habe ich in dem dritten Teil meiner Aufsatzreihe \u201eDie Welt in 2035<\/em>\u201c (siehe submitted<\/a>) darauf hingewiesen, dass die nahe Zukunft, d. h. die n\u00e4chsten zehn Jahre, f\u00fcr Europa sehr ungewiss sind. Damals sprach ich bereits von einem m\u00f6glichen Zusammenbruch der EU sowie der Euro-Zone. Jedoch wies ich ebenfalls auf die M\u00f6glichkeit der Reformierung selbiger hin, die einen unmittelbaren, totalen Zusammenbruch der supranationalen Institutionen verhindern k\u00f6nnte. Mittlerweile wird dieses Szenario immer unwahrscheinlicher. Die Corona-Pandemie ist der Schwarze Schwan, wie es der Philosoph Nassim Taleb so treffend in seinem gleichnamigen Buch bezeichnet. Ein Schwarzer Schwan ist ein Ereignis, welches wir f\u00fcr ebenso unwahrscheinlich halten, wie es folgenreich ist. Der Ausbruch und die dank der Globalisierung starke Verbreitung weltweit eines wohlm\u00f6glich t\u00f6dlichen Virus ist solch ein Ereignis, welches ungeahnte Risiken mit sich bringt. Auch oder insbesondere f\u00fcr die ohnehin instabile Europa-Politik.<\/p>\n Denn dieses Europa, welches 1957 noch Hoffnungen auf ein neues Zeitalter, das die Kriege des 20. Jahrhunderts \u00fcberwinden sollte, wecken konnte, ist heute nur noch eine Fassade. In Wirklichkeit verf\u00fcgt die Europ\u00e4ische Union weder \u00fcber ein solides Wirtschaftssystem, noch besitzt sie eine echte Vision, unter der sich die europ\u00e4ischen Nationalstaaten vereinigen lassen. Die Realisierung und Erstarkung der Visegrad Vier oder des Intermarium-Projekts sind deutliche Boten eines zunehmenden Separatismus. Mit Christine Lagarde auf Seiten der europ\u00e4ischen Geldpolitik und Ursula von der Leyen als Pr\u00e4sidentin der Europ\u00e4ischen Kommission besitzt diese Institution lediglich Symbolfiguren, die ein neues Zeitalter einleiten: Eine Zeit nach der Europ\u00e4ischen Union.<\/p>\n Schon seit Jahren warnen \u00d6konomen wie Hans-Werner Sinn, Prof. Dr. Max Otte oder Dr. Markus Krall \u2013 allesamt keine Unbekannten im Establishment und alles andere als Untergangspropheten \u2013 dass die Einf\u00fchrung des Euros der Anfang vom Ende eines sch\u00f6nen, aber endigen Traums bedeutete. Denn diese W\u00e4hrungsunion war von Anbeginn auf Sand gebaut. Mit der Einf\u00fchrung einer Gemeinschaftsw\u00e4hrung wurde ein finanzpolitisches Zwangskorsett geschaffen, in dem die einzelnen Nationalstaaten ihrer Flexibilit\u00e4t beraubt wurden. Denn nach der \u201eTheorie Optimaler W\u00e4hrungsr\u00e4ume\u201c f\u00fchrt eine Gemeinschaftsw\u00e4hrung zwischen zwei oder mehreren L\u00e4ndern nur dann zum Optimum, wenn eine ausreichende Faktor-Mobilit\u00e4t gew\u00e4hrleistet ist, d. h. Arbeitskr\u00e4fte sowie das Kapital besitzen eine ausreichende sektorale, r\u00e4umliche und qualifikatorische Beweglichkeit. Mit anderen Worten: Je unterschiedlicher die sich im W\u00e4hrungsraum befindlichen Volkswirtschaften sind, w\u00e4hrend es zugleich keinen gemeinschaftlichen Finanzhaushalt gibt, desto weiter bewegen sich dieselben vom Optimum weg.<\/p>\n Dieser Umstand besteht in der Europ\u00e4ischen Union von der Unterzeichnung des Vertrages von Maastricht bis heute. Durch die Einf\u00fchrung der Gemeinschaftsw\u00e4hrung wurde die Festlegung von flexiblen Wechselkursen innerhalb Europas aufgehoben und die Notenbanken obsolet gemacht. Dadurch k\u00f6nnen selbige jedoch nicht mehr ihre W\u00e4hrungen abwerten, um ggf. ihre preisliche Wettbewerbsf\u00e4higkeit zu steigern. Denn mit der Abwertung der eigenen W\u00e4hrung k\u00f6nnen Waren im Ausland g\u00fcnstiger angeboten werden, was einen Anstieg der Nachfrage im Ausland zur Folge hat. Das \u00dcberschussangebot sowie die Arbeitslosigkeit gehen dabei zur\u00fcck, und die Preise stabilisieren sich. Dieser Stabilisationsmechanismus ist in einer W\u00e4hrungsunion jedoch aufgehoben, wie in der Euro-Zone.<\/p>\n Da man um diesen Umstand schon lange wei\u00df, installierten die Geldpolitiker in 2007 ein Instrumentarium f\u00fcr den grenz\u00fcberschreitenden Zahlungsverkehr innerhalb der Euro-Zone: TARGET2. Es handelt sich dabei um eine Zahlungsplattform, die die Abwicklung \u00fcbernationaler Finanztransaktionen zwischen den Euro-L\u00e4ndern \u00fcber die EZB erm\u00f6glicht. Ein gutes und kurzes Video zur Erkl\u00e4rung findet man submitted<\/a>.<\/p>\n Aufgrund der bereits oben angedeuteten qualitativen Unterschiedlichkeit der Volkswirtschaften, insbesondere zwischen Nord und S\u00fcd, entstehen auf dieser Plattform Ungleichheiten, also Salden. Diese dr\u00fccken sich bei den nordeurop\u00e4ischen Notenbanken auf der Aktivseite als Forderungen gegen\u00fcber den anderen Euro-L\u00e4ndern und bei den s\u00fcdeurop\u00e4ischen Notenbanken auf der Passivseite als Verbindlichkeiten aus. Insbesondere Portugal (-83,3 Mrd. EUR), Spanien (-407 Mrd. EUR) und Italien (447,6 Mrd. EUR) weisen hierbei riesige Verbindlichkeiten auf[1]<\/a>. Im November\/Dezember 2019 betrugen die Target-Forderungen der Deutschen Bundesbank gegen\u00fcber der EZB knapp 1 Billion EURO (davon alleine also mehr als 950 Mrd. EUR gg\u00fc. der spanischen und der italienischen Notenbank)[2]<\/a>.<\/p>\n Hinzu kommt eine aufgrund der Nullzinspolitik der Europ\u00e4ischen Zentralbank beg\u00fcnstigte Zombiefizierung der europ\u00e4ischen Wirtschaft. D. h., dass 10 bis 12 Prozent der Unternehmen innerhalb der EU sich ausschlie\u00dflich Ponzi-finanzieren. Die Ponzi-Finanzierung ist nach Hyman Minsky das dritte und letzte Stadium der Fremd-Finanzierung innerhalb eines kapitalistischen Geldsystems: Die Finanzierung mittels Krediten, die von vornherein als faul bewertet werden m\u00fcssten. Diese Unternehmen konnten also nur aufgrund der billigen, im Grunde genommen kostenlosen Zinsen der EZB \u00fcberleben. Insbesondere Unternehmen der S\u00fcd-EU gieren f\u00f6rmlich nach Krediten, weil sie ansonsten insolvent gehen.<\/p>\n Diese Politik der Zombiewirtschaft bekommt durch Corona einen herben Schlag, wobei \u2013 wie dem aufmerksamen Leser sicherlich schon klargeworden sein sollte \u2013 dieses Virus lediglich ein Ausl\u00f6ser f\u00fcr eine l\u00e4ngst \u00fcberf\u00e4llige Korrektur bedeutet<\/strong>.<\/p>\n Ob nun mit oder ohne Corona, der Euro-Crash w\u00e4re also ohnehin gekommen.<\/strong><\/p>\n Der Top-\u00d6konom und Insider, weil ma\u00dfgeblich Beteiligter bei der Konzeptionierung der Risiko-Analysesysteme der meisten Banken innerhalb der EU, Dr. Markus Krall warnte bereits 2018 vor einem Euro-Crash und forderte daher mit frischem Geld das Eigenkapital bei europ\u00e4ischen Banken aufzustocken, um diese krisenfest zu machen[3]<\/a>. Der Ruf in die Politik hinein verhallte unbeantwortet. Daf\u00fcr ist es zudem heute zu sp\u00e4t.<\/p>\n Wie in meinem oben bereits erw\u00e4hnten Dreiteiler angesprochen, k\u00f6nnen wir eine Renationalisierungsbewegung in der Welt, und insbesondere in Europa beobachten. Entgegen den vielen Bef\u00fcrchtungen und Warnungen, die ich stetig h\u00f6re, wird ein Roll-Back in Richtung Nationalstaat immer deutlicher. Am 01.01.1999 wurde der Euro eingef\u00fchrt, mit der bestechenden Vision einer europ\u00e4ischen Einigung, die Wohlstand und Frieden in Europa bereiten sollte. Doch hat er genau das Gegenteil davon bewirkt. Die EU-Mitgliedsstaaten sind gespaltener denn je. Dies wird nun in der \u201eCorona-Krise\u201c besonders deutlich. Hier verfolgt jeder Nationalstaat seine eigene Strategie. Das hat sich vor allem durch die unterschiedlichen Grenzschlie\u00dfungen deutlich gezeigt.<\/strong> Die EU-Kommissionspr\u00e4sidentin Ursula von der Leyen hat sich deshalb auch zurecht besorgt in einem dpa-Interview ge\u00e4u\u00dfert. Demnach habe die EU mit den Grenzschlie\u00dfungen, die teilweise einseitig vollzogen wurden, \u201ein den Abgrund geschaut<\/em>\u201c[4]<\/a>. Gleichzeitig fordern Italien, Spanien, Frankreich und sechs weitere L\u00e4nder \u201eCorona-Bonds\u201c, die nichts weiter als eine Vergemeinschaftung der Schulden in Europa bedeuten (Eine Erkl\u00e4rung f\u00fcr Euro-Bonds findet sich in diesem Video<\/a>). \u201eBei Geld h\u00f6rt die Freundschaft auf\u201c, hei\u00dft es im Volksmund. Das ist nicht unbedingt meine Lieblingsdevise, aber sie wird gelebt, und zwar innerhalb von staatlichen Beziehungen. In Krisenzeiten zeigt sich, wie stabil ein B\u00fcndnis ist. Wie schon F\u00fcrst Otto von Bismarck zu sagen pflegte: \u201eDie einzige gesunde Grundlage eines gro\u00dfen Staates \u2026 ist der staatliche Egoismus und nicht die Romantik.<\/em>\u201c Das zeigt sich jetzt \u00fcberdeutlich.<\/p>\n Wie ernst die Lage f\u00fcr Europa und seine einzelnen Mitgliedsstaaten ist, zeigen die j\u00fcngsten \u00c4u\u00dferungen von Emmanuel Macron zur \u201erepublikanischen R\u00fcckeroberung<\/em>\u201c der St\u00e4dte. Dieser will den Islam zur\u00fcckdr\u00e4ngen und machte mit seinem Vier-Punkte-Plan im Kampf gegen den \u201epolitischen Islam\u201c viel Wirbel. Dieser beinhaltet u. a. die Befreiung von Moscheen und Schulen von ausl\u00e4ndischen Einfl\u00fcssen, insbesondere aus der T\u00fcrkei und Katar. Des Weiteren fordert der franz\u00f6sische Staatspr\u00e4sident einen \u201eunerbittlichen Kampf<\/em>\u201c gegen den Separatismus durch Islamisten (z. B. durch getrennte Badezeiten in \u00f6ffentlichen Schwimmb\u00e4dern oder Gebetsstunden in Sportvereinen sowie Verst\u00f6\u00dfe gegen die Gleichbehandlung von Jungen und M\u00e4dchen) in insgesamt 47 Brennpunktvierteln. Interessant ist die Ank\u00fcndigung des einstigen Kosmopoliten und F\u00f6rderer sowie Mitverursacher einer multikulturellen Gesellschaft in Frankreich, nun wieder mehr kulturelle Angebote sowie verst\u00e4rkt in Bildung, Ausbildung und Gesundheitsversorgung in bislang vernachl\u00e4ssigten Wohnvierteln zu schaffen.<\/p>\n Die Postulate des franz\u00f6sischen Staatschefs sowie seines Innenministers zeigen deutlich, dass man um die Gefolgschaft innerhalb der Bev\u00f6lkerung f\u00fcrchtet. Man ben\u00f6tigt also doch einen Kitt, und das ist die eigene nationale Identit\u00e4t. Gleichzeitig vermeidet man es aber, die multikulturelle Gesellschaft konkret zu kritisieren. Vielmehr ist dies ein populistisches Ablenkungsman\u00f6ver, das den Blick von der eigentlichen Ursache (der Neoliberalismus) hin zu einem aufgebauten und hochstilisierten Feind (der Islam) man\u00f6vriert. Dies jedoch halte ich f\u00fcr gef\u00e4hrlich, weil damit eine ganze Religion unter Generalverdacht gestellt wird, \u00fcbrigens ganz im Sinne amerikanischer Geostrategen wie Thomas P. M. Barnett oder Henry Kissinger. Letztlich ist die \u00dcberfremdung jedoch nur ein Symptom. Die Religion jedenfalls darf nicht als Hauptursache f\u00fcr die Verwerfungen westlicher Gesellschaften herhalten. Es sind die Politiken derselben, die von einer Kleptokratie (\u201eHerrschaft der Pl\u00fcnderer\u201c) gesteuert werden.<\/p>\n Ohnehin ist die Achse Paris-Berlin nicht mehr existent. Vielmehr handelt es sich hier um einen Wettstreit, wer Europa am besten f\u00fchren kann. In der Krise scheint keiner der beiden Anw\u00e4rter auf eine Vormachtstellung bzw. Ordnungsmacht in der EU wirklich tauglich zu sein. Woran das heutzutage liegt, sei der Vorstellung des Lesers \u00fcberlassen.<\/strong><\/p>\n Mit dem Einmarsch t\u00fcrkischer Truppen in Nordsyrien im Oktober 2019 fing ein weiterer Konfliktherd Feuer. Hinter der Intervention an der nordsyrischen Grenze verbirgt sich eine sicher kalkulierte Strategie, die offenbar aufgeht. Die T\u00fcrkei will verhindern, dass in dem s\u00fcdlich an ihr angrenzenden Gebiet ein autonomes Kurdengebiet oder gar langfristig gesehen ein kurdischer Staat entsteht. Des Weiteren wird es darum gehen, die Gegend zu islamisieren, um den Einfluss in der Region zu vergr\u00f6\u00dfern. Das d\u00fcrfte sie bereits \u2013 ungeachtet dem Spektakel darum \u2013 erreicht haben. Sie betrachtet die dort agierende Kurdenmiliz YPG sowie deren politischen Arm PYD als Terrororganisation. Letztlich geht es jedoch bei dieser Offensive um den Kampf einer Vormachtstellung in der Region. Denn wie ich bereits im November 2019 schrieb, entwickelte sich das Land in den letzten Jahren zunehmend von einem geostrategischen Dreh- und Angelpunkt zu einem einflussreichen Akteur. Die T\u00fcrkei ist f\u00fcr Europa ein wichtiger B\u00fcndnispartner, mit dem es nicht nur die Mitgliedschaft in der Nato gleich hat, sondern der auch eine Art T\u00fcrsteher-Funktion am Bosporus besitzt. Das von Ankara aus regierte Land fungiert als Tor zu Europa und hat damit schon immer eine wichtige geopolitische Position gehabt, denn es entscheidet, wer \u00fcber Asien nach Europa kommt und wer nicht. Jedoch bezog sich diese Position seit dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches eher auf politische Geografie, sozusagen der Macht der Gegebenheiten. Heute ist die T\u00fcrkei jedoch ein wichtiger und einflussreicher Akteur in der Region geworden und es d\u00fcrstet ihn danach, endlich als Ordnungsmacht wahrgenommen zu werden. Da entstehen auch schon mal neue Konstellationen, die unlogisch erscheinen, es jedoch nicht sind. So z. B. die tempor\u00e4re und partielle Ann\u00e4herung zu Moskau. Mit dem so genannten Fl\u00fcchtlingsdeal aus dem M\u00e4rz 2016 zwischen Ankara und allen 28 EU-Staaten war absehbar, dass der Pr\u00e4sident der T\u00fcrkischen Republik Recep Tayyip Erdo\u011fan damit ein gewaltiges Druckmittel besitzt, welches seinen Einfluss sowohl in der Region als auch in Europa mehren sollte. Nun ist passiert, was zu erwarten war: Erdo\u011fan \u00fcbte mit den syrischen und arabischen Fl\u00fcchtlingen in der T\u00fcrkei massiven Druck auf die EU aus. Damit sorgt er f\u00fcr weiteres Konfliktpotenzial zwischen den Mitgliedsstaaten. Denn w\u00e4hrend die Griechen ihre Grenzen zu Land verteidigten \u2013 wohlgemerkt hat Erdo\u011fan lediglich die Landesgrenzen \u00f6ffnen lassen, nicht den Zugang \u00fcber die \u00c4g\u00e4is \u2013 befand sich Europa dar\u00fcber im Streit, ob es die Bilder von Tr\u00e4nengas auf aggressive Siedler an der griechischen Grenze verkraften k\u00f6nne oder nicht. Mittlerweile hat Ankara die Grenze wieder geschlossen \u2013 offiziell aufgrund der Corona-Pandemie. Dass Ursula von der Leyen nur wenige Tage nach der Grenz\u00f6ffnung mit anderen EU-Spitzenpolitikern pers\u00f6nlich an die griechisch-t\u00fcrkische Grenze fuhr und Soforthilfen zusagte, zeigt, wie ernst die Lage auch aus Sicht der EU-Eliten gesehen wird.<\/p>\n Ohnehin ist die Aufnahme von Millionen von Asylforderern ein spaltendes Thema. W\u00e4hrend die meisten westeurop\u00e4ischen und transatlantisch beeinflussten Staaten, auch gegen die Interessen der eigenen Bev\u00f6lkerungen, die massenweise Aufnahme f\u00fcr ihre humanit\u00e4re Pflicht halten, lehnen die osteurop\u00e4ische Mitglieder die Aufnahme von Asylforderern weitestgehend kategorisch ab. Seit 2015 ist die Europ\u00e4ische Union in dieser Frage massiv gespalten.<\/p>\n Fassen wir also zusammen:<\/p>\n Die Europ\u00e4ische Union droht zu implodieren, weil<\/p>\n Das Corona-Virus ist bei alle dem nichts weiter als ein Ausl\u00f6ser. Die Ursachen liegen in einer zutiefst maroden Politik auf verschiedenen Ebenen. Was als Einigungsprojekt gedacht war, f\u00fchrte letztlich zur Spaltung derer, die miteinander vereint werden sollten. Auf diesen Umstand immer wieder hinzuweisen, ist besonders heute in der Krise eine der wichtigsten Aufgaben einer echten Opposition, die eine wirkliche, Europa friedenbringende Ordnung erstrebt.<\/strong><\/p>\n F\u00fcr unsere Leser bedeutet dies, dass sie sich auf st\u00fcrmische Zeiten einrichten sollten. Es bedeutet vor allem, dass sie sich von der Gleichg\u00fcltigkeit einiger Besserwisser nicht anstecken lassen sollten. Es bedeutet aber nicht, dass man nun panisch werden muss. Im Gegenteil: Ruhig und sachlich das geopolitische, wirtschaftliche und soziale Umfeld beobachten, dabei den Blick f\u00fcr das Sch\u00f6ne nicht verlierend, ist die beste Empfehlung, die Ihnen jemand geben kann. In China versteht man hinter jeder Krise auch Chancen. Es sind bereits jetzt viele Chancen am Horizont zu erblicken. Das Chaos und wir Deutschen wollen nicht so recht zusammenpassen. Aber wenn wir, wie der antike Grieche, jedes Chaos als Vorbote einer neuen Ordnung verstehen lernen, dann f\u00e4llt der Blick in die Zukunft gar nicht mehr so schwer.<\/p>\n [1]<\/a> Alle Zahlen beziehen sich auf eine Statistik vom Juni 2019 (sieh hierzu: https:\/\/de.statista.com\/statistik\/daten\/studie\/233148\/umfrage\/target2-salden-der-euro-laender\/<\/a> (28.03.2020)<\/p>\n [2]<\/a> Siehe dazu http:\/\/www.hanswernersinn.de\/de\/themen\/TargetSalden<\/a> (28.03.2020)<\/p>\n [3]<\/a> Siehe in dem Focus-Interview: https:\/\/www.focus.de\/finanzen\/boerse\/interview-mit-autor-des-draghi-crashs-banken-insider-warnt-in-zwei-jahren-fliegt-uns-das-system-um-die-ohren_id_8570527.html?fbclid=IwAR0VRVMPw9aBYApmzvqFDH2Tms4F1KUPRSkHrn6sHybcwPxgivcyHSg_DFM<\/a> (28.03.2020)<\/p>\n [4]<\/a> Siehe hierzu: https:\/\/www.insuedthueringen.de\/deutschlandwelt\/wirtschaft\/Von-der-Leyen-EU-Kommission-plant-keine-Corona-Bonds;art2799,7195607<\/a> (28.03.2020)<\/p>","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Es ist in aller Munde. 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Politische Uneinigkeit: Die EU im Renationalisierungsmodus<\/h2>\n
Der T\u00fcrsteher erh\u00f6ht Druck auf EU<\/h2>\n
Zusammenfassung<\/h2>\n
\n
Was bedeutet das f\u00fcr mich?<\/h2>\n
Quellen:<\/h2>\n