{"id":4179,"date":"2019-12-04T18:35:49","date_gmt":"2019-12-04T17:35:49","guid":{"rendered":"https:\/\/gegenstrom.org\/?p=4179"},"modified":"2020-02-05T09:01:06","modified_gmt":"2020-02-05T08:01:06","slug":"was-der-rechte-mensch-von-den-bauernprotesten-denken-kann","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/gegenstrom.org\/en\/was-der-rechte-mensch-von-den-bauernprotesten-denken-kann\/","title":{"rendered":"Was der (r)echte Mensch von den Bauernprotesten denken kann"},"content":{"rendered":"
Der folgende Text stammt von Matthias Klemm<\/strong>, der selbst Landwirt ist und die Proteste betrachtet, die derzeit von der Landwirtschaft initiiert werden.<\/em><\/p>\n Es ist ein Bild, von dem jede Bewegung tr\u00e4umt: Zehntausende Bauern demonstrierten am Dienstag, den 26.11.2019 in Berlin. Doch die Anf\u00e4nge begannen schon viel fr\u00fcher und waren kein spontanes Ergebnis. Wir wollen einen Einblick in eine Gruppe von Menschen wagen, die diesen Einblick nicht gerne geben.<\/p>\n \n \n Nun, dass die Landwirte sich in Deutschland nicht mehr als Teil der Gesellschaft f\u00fchlen, das ist nicht erst seit einem Jahr so. In Ostdeutschland zum Beispiel wurde die hiesige Landwirtschaft nach der Wende zur Insolvenz getrieben, abgewickelt und zu einem Teil nach Westdeutschland verkauft, von Investoren geschluckt, in Genossenschaften umgewandelt oder von Wiedereinrichtern bewirtschaftet.<\/p>\n \n Druck gab es damals schon, aber der Bauer konnte mit den Ertr\u00e4gen ausreichend Geld zum Erhalt der Betriebe erwirtschaften. Hier zu nennen w\u00e4ren vor allem stabile Preise bei Milch und Zucker durch die staatlich geregelten Quoten. Diese Quoten passten nicht in eine exportorientierte Marktwirtschaft, deshalb wurden sie beseitigt. Und so stand die Republik offen f\u00fcr Importe, was zum Beispiel die Milchkrise 2016 verursachte, die zehntausende H\u00f6fe von der Landkarte strich. Das Bekenntnis der Politik zur kleinb\u00e4uerlichen Landwirtschaft offenbarte sich als Phrase, da vor allem Kleinbetriebe einfach nicht mehr mithalten konnten.<\/p>\n \n 2017 novellierte die Regierung dann die D\u00fcngeverordnung. Diese war schon ein straffer Einschnitt in die D\u00fcngung, doch die gute fachliche Praxis war als Ma\u00dfgabe f\u00fcr den D\u00fcngebedarf immer noch gesetzm\u00e4\u00dfig. Im Jahre 2020 kommt nun die n\u00e4chste Novellierung der D\u00fcngeverordnung und diese beendet nun die bedarfsgerechte Ern\u00e4hrung der Pflanzen. Die Folgen sind noch gar nicht abzusehen, aber der Bauer versteht die Probleme, die entstehen werden. Verdichtung der \u00c4cker und Wiesen, Minderertr\u00e4ge, Qualit\u00e4tseinbu\u00dfen, sinkende Milchleistung, sinkender Viehbesatz und somit auch weniger Einkommen.<\/p>\n \n Das Agrarpaket und die st\u00e4ndigen Angriffe auf Bauern durch Parteien, NGO\u00b4s sowie die Mainstream-Medien waren der ber\u00fchmte Tropfen, der das Fass zum \u00dcberlaufen brachte. Den derzeitigen H\u00f6hepunkt erlebten wir nun in Berlin.<\/p>\n \n \n Die Reaktion von Politik und Medien war zu erwarten und wurde auch besprochen. Die Oppositionsparteien bezogen Stellung f\u00fcr den Bauern. Mit einmal war die Regierung wieder ganz schlecht und die Opposition die L\u00f6sung. Hier kommen wir zu einem grundlegenden Problem f\u00fcr diese Opportunisten. Bauern vergessen nichts. Die FDP ist in ihrem Charakter grundlegend wirtschaftsliberal und setzte sich schon f\u00fcr das Freihandelsabkommen TTIP ein. Die nun vollzogene Kehrtwende in diesem Thema erscheint doch recht unglaubw\u00fcrdig, wenn sich ein Christian Lindner bei diesem Thema auf die Seite der Landwirtschaft stellt. Auf dem weltweiten Markt positioniert sich Deutschland als Industriexportland. Eher agronomisch aufgestellte Staaten setzen dann auch auf entsprechende Importe landwirtschaftlicher G\u00fcter in die Republik. Die Landwirtschaft hat den Charakter, dass sie diese Grundpositionen einer Partei nicht vergisst. So hat Herr Lindner zwar f\u00fcr den ein oder anderen Kommentar Applaus geerntet, ich sch\u00e4tze die Nachhaltigkeit aber eher gering ein. Deshalb verl\u00e4sst sich die Landwirtschaft zumeist auf sich selbst und die Gewinner sind dann andere Landwirte, die in den Parteien agieren. Die Landwirte f\u00fchlen sich nur von anderen Landwirten verstanden. Sie sprechen offen, klar und wissenschaftlich sehr fundiert miteinander. So \u201eleugnen\u201c sie die Zust\u00e4nde, die diese politischen Umw\u00e4lzungen hervorrufen, nicht, sondern wollen die Ursachen umfangreich ergr\u00fcndet wissen. So hat sich die Politik zum Beispiel nicht mit der Herkunft von Nitrat im Grundwasser besch\u00e4ftigt. Welchen Einfluss hat zum Beispiel die kommunale Abwasserentsorgung? Welchen Einfluss haben Kl\u00e4ranlagen an der Eutrophierung von Phosphor und wie m\u00fcssen Windkraftanlagen auf ihren Einfluss auf das Insektenleben bewertet werden? Diese Fragen werden nicht beantwortet und somit kann man den Urgrund der Probleme nicht abschlie\u00dfend finden. F\u00fcr seine Leistung, die Menschen zu ern\u00e4hren, w\u00fcnscht er sich Anerkennung und Respekt. Das Gef\u00fchl dieser Anerkennung ist aber durch das mediale \u201eBauern-Bashing\u201c verloren gegangen. In der Presse war der Landwirt nur noch als Umweltverschmutzer, Brunnenvergifter und Giftmischer dargestellt worden. Dieses Bild hat sich nicht nur bei der urbanen Bev\u00f6lkerung festgesetzt. Die ersten Meinungswechsel innerhalb der Zeitungsartikel kamen erst seit den Protesten am 22. Oktober auf.<\/p>\n \n Die Medien reagierten sehr unterschiedlich – Sympathie, Kritik bis hin zur Falschdarstellung der Ziele. Obwohl die Menschen in den St\u00e4dten oft mit positiven \u00c4u\u00dferungen in Erscheinung traten, wurde vor allen von BUND, NABU und den Gr\u00fcnen der Landwirt weiter zum Verursacher der Probleme gemacht.<\/p>\n \n \u00a0<\/b><\/p>\n Die wohl motivierendste Aussage vor der Demonstration in Berlin kam wohl von Umweltministerin Schulze selbst. Diese erkl\u00e4rte sinngem\u00e4\u00df vor Agrarheute, dass die Bauern \u201elangsam mal auf die Bremse treten<\/i><\/span>\u201c sollen. Sie zeigte damit klar, dass es seitens der Regierung noch kein Verst\u00e4ndnis f\u00fcr die Probleme gab. Das trieb nochmal viele Betriebe an, spontan in Richtung Berlin zu fahren. Der Ablauf der Veranstaltung war an sich sehr gut. Es gab weder Ausschreitungen, noch endlose M\u00fcllberge, auf die vor allem auch die Medien warteten. Die Landwirte kamen in die St\u00e4dte, demonstrierten und gingen nach Hause. Keine Ausschreitungen wie in Holland und Frankreich, keine Regierungsgeb\u00e4ude in G\u00fclle und Mist versunken. Menschen kamen in die St\u00e4dte, teilten ihre Existenzgefahren mit und fuhren nach Hause. Der denkbar schlechteste Ablauf f\u00fcr die Politik. Denn die Stadtbev\u00f6lkerung konnte nicht gegen die Landwirte aufgewiegelt werden. Das war bis dahin der H\u00f6hepunkt der Au\u00dfenwirkung der Bewegung, die am 22. Oktober ihren Anfang fand.<\/p>\n \n Danach ging die Regierung auf die Schiene, die Angela Merkel 17 Jahre im Amt hielt. Sie sitzt es aus. Der lange Atem der Politik hat bisher alle Proteste erstickt und so wartet sie nun ab. Nat\u00fcrlich l\u00e4dt sie Verb\u00e4nde zu Tisch und wird Verst\u00e4ndnis \u00e4u\u00dfern, wie es am Montag geschehen ist. Aber letzten Endes hat sie das Problem der Landwirte trotzdem nicht verstanden. Der Ansatz der Kanzlerin ist es, staatliche Subventionen direkter zu steuern und somit die Landwirte zu entlasten. Aber die Landwirte wollen keine Almosen, sie wollen nicht betteln, sie wollen ernst genommen werden. Die Regierung ist hier in einer Zwickm\u00fchle. Sie kann gegen\u00fcber der EU die D\u00fcngeverordnung nicht abwenden, sie kann auch nichts f\u00fcr die Landwirte tun, was diesen tats\u00e4chlich helfen w\u00fcrde. Sie hat keinen Einfluss auf den Markt und den Konsumenten. Und somit wird die Regierung weiter immer mehr von der Landwirtschaft fordern, ohne die Probleme grundlegend \u00e4ndern zu k\u00f6nnen. Das wei\u00df die (R)echte gl\u00fccklicherweise nur zu gut. Sie wei\u00df, dass von der Regierung nur kleine Pflaster f\u00fcr die Probleme zu erwarten sind, keine tiefgreifenden Ver\u00e4nderungen zum Besseren.<\/p>\n \n Die Politik wird nun versuchen, bis zum Fr\u00fchjahr durch zu halten. Wenn der Winter vorbei ist und die Natur erwacht, ist der Bauer wieder an den Hof gebunden. Gro\u00dfe Veranstaltungen scheinen da unwahrscheinlich, aber es bleibt abzuwarten, ob sich die Bewegung weiter organisiert oder dem gefrierenden Wasser zum Opfer f\u00e4llt. Am Ende hinterl\u00e4sst diese Bewegung eine weitere klaffende Wunde im staatlichen und gesellschaftlichen Gef\u00fcge der Republik, die sich nicht so einfach schlie\u00dfen lassen wird. Der Rest steht in den Sternen.<\/p>\n \n Aber die Rechte hat auch hier wieder bewiesen, dass sie sich viel zu oft nur einem akuten Thema hingibt. Sie besch\u00e4ftigt sich in der Realpolitik viel zu wenig auch mit den Menschen, die gerade nicht in der Schlagzeile der Gesellschaft stehen. Die Strafe daf\u00fcr folgt nun. Eigentlich grundlegend b\u00e4uerlich eingestellt, kann der (r)echte Politiker nicht auf diese Abl\u00e4ufe Einfluss nehmen. Er sollte nun \u00fcber alle m\u00f6glichen Kan\u00e4le versuchen, Verst\u00e4ndnis f\u00fcr die Landwirtschaft zu finden, bevor es die etablierten Parteien tun. Die (R)Echte sollte ihr Profil im Agrarsektor sch\u00e4rfen und die Hintergr\u00fcnde verstehen. Populistische Aktionen bringen hier nichts. Sie sind f\u00fcr den Bauern eher besch\u00e4mend und verursachen bei ihm Unbehagen. Die Bewegung \u201eLand schafft Verbindung\u201c hat sich ausdr\u00fccklich parteineutral identifiziert. Aber auch sie kommt nicht an den Parteien vorbei. Die (R)Echte ist vom Charakter her b\u00e4uerlich eingestellt. Sie kann durch das Heimatgef\u00fchl, der Verbundenheit zur Natur und dem weltanschaulich-biologischen Verst\u00e4ndnis vielleicht auch im Landwirt eine Umwertung der Werte verursachen.<\/p>","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Der folgende Text stammt von Matthias Klemm, der selbst Landwirt ist und die Proteste betrachtet, die derzeit von der Landwirtschaft initiiert werden. Es ist ein Bild, von dem jede Bewegung tr\u00e4umt: Zehntausende Bauern demonstrierten am Dienstag, den 26.11.2019 in Berlin. Doch die Anf\u00e4nge begannen schon viel fr\u00fcher und waren kein spontanes Ergebnis. 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Die Reaktion der \u201eAnderen\u201c<\/h2>\n
Was die Politik treibt.<\/h2>\n