{"id":1560,"date":"2019-02-17T12:50:40","date_gmt":"2019-02-17T11:50:40","guid":{"rendered":"https:\/\/gegenstrom.org\/?p=1560"},"modified":"2020-02-04T13:36:32","modified_gmt":"2020-02-04T12:36:32","slug":"die-ohn-macht-des-arguments","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/gegenstrom.org\/en\/die-ohn-macht-des-arguments\/","title":{"rendered":"Die (Ohn-)Macht des Arguments"},"content":{"rendered":"

Basiswissen von alten Griechen, Misanthropen und Marketingexperten mit Black-Metal-Hintergrund vermittelt.<\/strong><\/h1>\n

\u201eM<\/em>an mu\u00df die Welt nicht unbedingt verstehen. Wichtiger ist, ihr gewachsen zu sein.\u201c<\/em><\/span><\/p>\n

– Oswald Spengler<\/em><\/span><\/p><\/blockquote>\n

Von Thor von Waldstein stammt das Bonmot, dass eine \u201eTalkshow [\u2026] mit dem Zauber eines Zwiegespr\u00e4chs unter Selbstdenkern soviel zu tun [hat] wie ein Pornofilm mit einer echten Liebesbeziehung.\u201c<\/em>[1]<\/a> Das ist mehr als richtig und \u00fcberrascht besonders in den Sph\u00e4ren der Politik nicht, wo, wenn es um Macht bzw. die eigenen Pfr\u00fcnde geht, auch die sonst so verst\u00e4ndnisvollsten gr\u00fcnen Bessermenschen mit Bandagen k\u00e4mpfen, die von Machiavelli oder Sun Tzu pers\u00f6nlich angelegt scheinen. Doch auch der normale Querdenker von rechts kann sich einer ausreichenden argumentativen Wappnung nicht v\u00f6llig entziehen, will er nicht in sozialen Netzwerken, Videoportalen, auf der Arbeit oder im Kreis der Freunde und Familie untergehen. Besonders den in den erstgenannten multimedialen Plattformen anzutreffenden Aktivisten werden, wenn sie die Feder mit dem Andersdenkenden kreuzten, die Erfahrung mit rhetorischen Manipulationstechniken wie dem Strohmann-Argument oder der Ad- Hominem- Attacke bewusst oder unbewusst gemacht haben. Bei unseren Beispielen handelt es sich um so genannte Sophismen, also Scheinargumente, die logische Fehler oder keinerlei Aussagekraft beinhalten. Entwickelte sich die Entzauberung substanzloser Argumente in den Vereinigten Staaten von Amerika fast zu einer Art Volkssport mit einer Unzahl an Ver\u00f6ffentlichungen, scheint das Thema hierzulande, wenngleich mehr als ausreichend wissenschaftlich erforscht, eher von untergeordneter Rolle zu sein, wenngleich es durch das Ph\u00e4nomen der \u201eYouTuber\u201c auch an Reichweite gewann. Au\u00dferhalb dieses Universums d\u00fcrfte es allenfalls Studenten der Philosophie, angehenden Juristen oder Wirtschaftswissenschaftlern (z. B. bei dem Denkfehler der \u201eVersunkenen Kosten\u201c) n\u00e4her bekannt sein.<\/span><\/p>\n

Von Sokrates zu Tode befragt \u2013 von den Anf\u00e4ngen der Wahrheitsfindung bis in das Zeitalter des \u201aMeme-War\u2019<\/strong><\/h2>\n

Seinem Sch\u00fcler Platon hat es Sokrates zu verdanken, dass seine Methodik oder besser Geburtshilfe (siehe M\u00e4eutik<\/em>) des zielf\u00fchrenden Fragens bei der Wahrheits- oder Erkenntnisfindung als der \u201esokratische Dialog\u201c in die Annalen der abendl\u00e4ndischen Geschichte eingegangen ist. Mit seiner Apologie,<\/em> der tragischen Schilderung des Prozesses gegen seinen Lehrmeister, lieferte er dann dar\u00fcber hinaus nicht nur ein bedeutendes Exempel der Kunst von Rede und Gegenrede, sondern auch ein klassisches Argument gegen die Herrschaft der Massen. Zu dieser Zeit popul\u00e4r im Diskurs war die Eristrik<\/em> der Sophisten, die Platon aber zu ungenau und beliebig erschien. Ihm entgegen setzte er die fundierte Dialektik<\/em>, die man als \u201eWeg des Denkens in Begriffen mit entgegengesetzter Bedeutung<\/em>\u201c[2]<\/a> umschreiben kann. Eine theoretische bzw. genaue analytische Ausgestaltung erfolgte dann durch seinen Sch\u00fcler Aristoteles, dem Sch\u00f6pfer der Logik. Die von ihm in der Topik<\/em> geschaffene Argumentform des Syllogismus<\/em>, definiert der Duden als einen \u201eaus zwei Pr\u00e4missen gezogener logischer Schluss vom Allgemeinen auf das Besondere<\/em>\u201c[3]<\/a> und hat Bestand bis in unsere Gegenwart, genau wie viele seiner in den \u201eSophistischen Widerlegungen<\/em>\u201c aufgelisteten Scheinargumenten. Interessanterweise entwickelte sich parallel eine logische Denkschule in Indien, die sich bis zum Abriss des Kontaktes durch die gewaltsame Expansion des Islams im fruchtbaren geistigen Austausch mit Europa befand.[4]<\/a><\/span><\/p>\n

F\u00fcr uns von gr\u00f6\u00dferer Bedeutung ist aber das 1830 niedergeschriebene Manuskript \u201aEristische Dialektik\u2019<\/em> von Arthur Schopenhauer. Darin findet er durchaus anerkennende Wort f\u00fcr die Leistung des Aristoteles, kritisiert aber dessen oft unscharfe Trennung von ernsthafter Wahrheitssuche und reinem Geltendmachen der eigenen Positionen als Zweck der Dialektik, sein zu starkes Verharren in der starren Form (was ihm selbst bei Betrachtung des Inhalts noch widerfahre) und das zu lange Er\u00f6rtern von Selbstverst\u00e4ndlichkeiten, ohne sich wirklich ersch\u00f6pfend dem Thema gewidmet zu haben. Dem setzt er folgendes entgegen: \u201eUm die Dialektik rein aufzustellen, mu\u00df man, unbek\u00fcmmert um die objektive Wahrheit (welche Sache der Logik ist), sie blo\u00df betrachten als die Kunst, Recht zu behalten, welches freilich um so leichter sein wird, wenn man in der Sache selbst Recht hat. Aber die Dialektik als solche mu\u00df blo\u00df lehren, wie man sich gegen Angriffe aller Art, besonders gegen unredliche verteidigt, und eben so wie man selbst angreifen kann, was der Andre behauptet ohne sich selbst zu widersprechen und \u00fcberhaupt ohne widerlegt zu werden.\u201c<\/em>[5]<\/strong><\/em><\/a><\/span><\/p>\n

Waren die Abhandlungen des Aristoteles B\u00fccher der wei\u00dfen Magie, so war Schopenhauers Niederschrift ein Ausflug in die schwarzen K\u00fcnste \u2013 Beschw\u00f6rung und Bannspruch in einem. Ihm selbst beliebte wohl mehr das Gleichnis einer \u201egeistigen Fechtkunst\u201c<\/em>[6]<\/strong><\/em><\/a>. <\/em>Seine vom Wesen her Ad Rem (auf die Sache bezogen) oder Ad Hominem (auf den Menschen bezogen), Kunstgriffe, wie Ablenkungen, Erweiterungen oder Verengungen bei der Argumentation, Reizen\/Erz\u00fcrnen des Gegners, um ihn zu un\u00fcberlegten Handlungen zu treiben, werden uns so oder in abgewandelter Form auch bei unseren modernen Beispielen begegnen.<\/span><\/p>\n

Auch wenn er sich sp\u00e4ter von seinem Werk distanzierte, so sch\u00e4rfte es doch gleichzeitig unseren Blick und richtete ihn gleichsam auf die Logik bzw. auf die Struktur des Arguments, als auch auf die Dialektik, den Inhalt betreffend aus. Diese Unterteilung hat sich heute im englischsprachigen Raum als die der formal<\/em> and informal fallacies<\/em> in unsere Zeit gerettet. Besondere Bedeutung erlangte sie besonders bei den Pr\u00e4sidentschaftswahlen 2015\/2016 in den Vereinigten Staaten. Logische Fehlschl\u00fcsse wurden in sogenannten Memes<\/em> (nach einer Wortsch\u00f6pfung durch Richard Dawkins) sowohl aufgezeigt als auch gezielt genutzt, um den weltanschaulichen Gegner nicht selten humorvoll blo\u00dfzustellen. Ein Meme<\/em> ist dabei nichts anderes als eine Art der Informations\u00fcbermittlung, die in unterschiedlicher Form beispielsweise als Video, Bild oder in einfachen S\u00e4tzen rasche Verbreitung findet. Der Schl\u00fcssel dabei ist ihre Simplizit\u00e4t. \u00dcber die Grenzen Nordamerikas fand dabei besonders die mit Unterst\u00fctzern des damaligen Pr\u00e4sidentschaftskandidaten Donald Trump assoziierte Figur von \u201aPepe dem Frosch\u2019.<\/span><\/p>\n

Die Macht der Sprache<\/strong><\/h2>\n

\u201eNie haben die Massen nach Wahrheit ged\u00fcrstet. Von den Tatsachen, die ihnen missfallen, wenden sie sich ab und ziehen es vor, den Irrtum zu verg\u00f6ttern, wenn er sie zu verf\u00fchren vermag. Wer sie zu t\u00e4uschen versteht, wird leicht ihr Herr, wer sie aufzukl\u00e4ren sucht, stets ihr Opfer.\u201c<\/em><\/span><\/p>\n

– Gustave Le Bon<\/span><\/p>\n

Sprache ist ein Herrschaftsinstrument, mit ihr kann man den Diskurs beherrschen. 1922 schrieb Walter Lippmann in \u201aPublic Opinion\u2019<\/em> folgende ber\u00fchmte S\u00e4tze: \u201eWir werden \u00fcber die Welt bereits unterrichtet, bevor wir sie sehen. Wir stellen uns die meisten Dinge vor, bevor wir unsere Erfahrungen damit machen. Und diese vorgefa\u00dften Meinungen beherrschen aufs st\u00e4rkste den ganzen Vorgang der Wahrnehmung.\u201c[7]<\/strong><\/a> <\/em>Diese Prozesse seien kontrolliert durch die \u201aTorw\u00e4chter\u2019 der \u00f6ffentlichen Meinung, die gewisserma\u00dfen die Spielregeln aufstellen. Der Doktor der Philosophie S. Morries Engel fasst in seinem Buch \u201aWith Good Reason\u201c <\/em>zusammen: \u201eWir haben gesehen, dass die in jeder Aussage verwendete Sprache, die Bedeutung dieser Aussage bestimmt. Der Sprache wurde eine intime Beziehung zum Denken zuerkannt, sogar eine formgebende. (\u2026) Die Tendenz, W\u00f6rter entsprechend ihrer Symbolik nach zu werten, wurde gezeigt, um Schwammigkeiten in der Bedeutung zu beg\u00fcnstigen und Euphemismen hervorzurufen, bei denen die Dinge neue Namen erhalten, um negative Eigenschaften zu verschleiern.\u201c[8]<\/strong><\/a><\/em><\/span><\/p>\n

Einen weiteren genialen Beitrag verdanken wir dem Diplom-Sozialwissenschaftler Manfred Kleine-Hartlage, welcher 2005 in \u201eDie Sprache der BRD\u201c <\/em>eine Art W\u00f6rterbuch f\u00fcr die auch im Kleinen den Diskurs bestimmende Phraseologie des Systems lieferte. Zu den wichtigsten rhetorischen Mitteln, die uns auch bei den Beispielen der informellen logischen Fehlschl\u00fcsse begegnen werden, z\u00e4hlt er dabei:<\/span><\/p>\n