{"id":10528,"date":"2025-05-07T12:13:23","date_gmt":"2025-05-07T10:13:23","guid":{"rendered":"https:\/\/gegenstrom.org\/?p=10528"},"modified":"2025-05-07T12:13:23","modified_gmt":"2025-05-07T10:13:23","slug":"der-volksbegriff-des-grundgesetzes-eine-kurze-skizze-zur-verfassungslage","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/gegenstrom.org\/en\/der-volksbegriff-des-grundgesetzes-eine-kurze-skizze-zur-verfassungslage\/","title":{"rendered":"Der Volksbegriff des Grundgesetzes – Eine kurze Skizze zur Verfassungslage"},"content":{"rendered":"
Der folgende Text stammt von Dr. Bj\u00f6rn Clemens und befasst sich mit dem ethnischen Volksbegriff, welcher vom Verfassungsschutz als zentrales Element zur Begr\u00fcndung der Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ verwendet wurde. Die Redaktion<\/em><\/p>\n <\/p>\n Wer in Deutschland das Wort\u00a0Volk<\/em>\u00a0benutzt, und das auch noch in politischen Zusammenh\u00e4ngen, l\u00e4uft Gefahr, juristische Probleme zu bekommen. Insbesondere wird die tats\u00e4chliche oder unterstellte Forderung, an einem ethnisch homogenen Volksbegriff als Grundlage der Staatsb\u00fcrgerschaft festzuhalten, als verfassungswidriger Versto\u00df gegen die Menschenw\u00fcrde angesehen. Wer solches offen in sozialen Netzwerken verk\u00fcndet oder Gruppierungen angeh\u00f6rt oder unterst\u00fctzt, die entsprechende Forderungen erheben oder denen das nachgesagt wird, kann auf verschiedenste Weise belangt werden. Die Palette staatlicher Ma\u00dfnahmen gegen die B\u00fcrger reicht von Waffenverboten \u00fcber Disziplinarma\u00dfnahmen gegen Beamte, die Aberkennung des luftsicherheitsrechtlichen Zuverl\u00e4ssigkeitsstatus bis hin zu Aufenthaltsuntersagungen. Dagegen muss sich beispielsweise der \u00f6sterreichische IB-Aktivist Martin Sellner derzeit vor dem VG Sigmaringen wehren, nachdem er im M\u00e4rz 2024 durch die Stadt Potsdam bereits ein Einreiseverbot f\u00fcr ganz Deutschland erhalten hatte, das das VG Potsdam aber aufhob.[1]<\/a>\u00a0F\u00fcr politische Parteien kann eine Einstufung als verfassungsfeindlich existenzbedrohend sein, da sie gem\u00e4\u00df Artikel 21 Absatz 2 GG verpflichtet sind, auch in ihren Zielen der FDGO zu entsprechen. Falsches Denken kann in einem Verbot enden.[2]<\/a>\u00a0F\u00fcr Vereine gilt das gem\u00e4\u00df Art. 9 GG Abs. 2 GG ebenfalls. Der Compact-Verlag sieht sich dem seit 2024 ausgesetzt, und die AfD wird damit st\u00e4ndig bedroht. Durch den Verfassungsschutz wurde sie als extremistischer Verdachtsfall eingeordnet, unter anderem wegen des Festhaltens an dem stigmatisierten Volksbegriff. Zwei Gerichtsinstanzen, das VG K\u00f6ln[3]<\/a>\u00a0und das OVG M\u00fcnster[4]<\/a>\u00a0best\u00e4tigten die Einstufung. Im Berufungsurteil hei\u00dft es hierzu:[5]<\/a><\/p>\n \u201eEs besteht der begr\u00fcndete Verdacht, dass es den politischen Zielsetzungen jedenfalls eines ma\u00dfgeblichen Teils der Kl\u00e4gerin entspricht, deutschen Staatsangeh\u00f6rigen mit Migrationshintergrund nur einen rechtlich abgewerteten Status zuzuerkennen, weil zu ihren zentralen politischen Vorstellungen geh\u00f6rt, dass es eine von der Staatsangeh\u00f6rigkeit unabh\u00e4ngige \u201eethnisch-kulturelle\u201c Volkszugeh\u00f6rigkeit gibt, die von entscheidender Bedeutung f\u00fcr die Bewahrung der deutschen Kultur und Identit\u00e4t ist und es deshalb rechtfertigt, bei rechtlichen Zuordnungen danach zu unterscheiden, ob und gegebenenfalls aus welchem Kulturraum deutsche Staatsangeh\u00f6rige oder deren Eltern zugewandert sind. Dies stellt eine nach Art.\u00a03 Abs.\u00a03 GG unzul\u00e4ssige Diskriminierung aufgrund der Abstammung dar, die mit der Menschenw\u00fcrdegarantie des Art.\u00a01 Abs.\u00a01 GG nicht zu vereinbaren ist.<\/p>\n Dabei steht au\u00dfer Frage, dass bei der Bestimmung des \u201eVolkes\u201c im Sinn von Art.\u00a020 Abs.\u00a02 Satz\u00a01 GG ethnischen Zuordnungen keine exkludierende Bedeutung zukommt. Das Grundgesetz \u00fcberl\u00e4sst es dem Gesetzgeber, Erwerb und Verlust der Staatsangeh\u00f6rigkeit zu regeln. Danach kann der Gesetzgeber im Staatsangeh\u00f6rigkeitsrecht ma\u00dfgeblich an das Abstammungsprinzip oder die deutsche Volkszugeh\u00f6rigkeit im Sinn von Art.\u00a0116 Abs.\u00a01 GG ankn\u00fcpfen. Insbesondere bei einer erheblichen Zunahme des Anteils der Ausl\u00e4nder an der Gesamtbev\u00f6lkerung des Bundesgebiets kann er aber auch dem Ziel einer Kongruenz zwischen den Inhabern demokratischer politischer Rechte und den dauerhaft staatlicher Herrschaft Unterworfenen durch eine Erleichterung des Erwerbs der deutschen Staatsangeh\u00f6rigkeit f\u00fcr Ausl\u00e4nder, die sich rechtm\u00e4\u00dfig in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, Rechnung tragen. Wer die deutsche Staatsangeh\u00f6rigkeit erwirbt, ist aus Sicht der Verfassung unabh\u00e4ngig von seiner ethnischen Herkunft Teil des Volkes.\u201c<\/p>\n Diese Rechtsprechung f\u00fchrt sich auf das\u00a0Urteil des Bundesverfassungsgerichts im zweiten NPD-Verbotsverfahren<\/em>\u00a0vom 17.01.2017 zur\u00fcck. Dort liest man unter anderem:<\/p>\n \u201eMenschenw\u00fcrde ist egalit\u00e4r; sie gr\u00fcndet ausschlie\u00dflich in der Zugeh\u00f6rigkeit zur menschlichen Gattung, unabh\u00e4ngig von Merkmalen wie Herkunft, Rasse, Lebensalter oder Geschlecht (vgl. Isensee, in: Merten\/Papier, HGRe, Bd.\u00a0IV, 2011, \u00a7\u00a087 Rn.\u00a0168). Dem Achtungsanspruch des Einzelnen als Person ist die Anerkennung als gleichberechtigtes Mitglied in der rechtlich verfassten Gemeinschaft immanent (vgl. Herdegen, in: Maunz\/D\u00fcrig, GG, Art.\u00a01 Abs.\u00a01 Rn.\u00a0120 <Mai 2009>). Mit der Menschenw\u00fcrde sind daher ein rechtlich abgewerteter Status oder dem\u00fctigende Ungleichbehandlungen nicht vereinbar (vgl. H\u00f6fling, a.a.O., Art.\u00a01 Rn.\u00a035)\u2026.[6]<\/a>\u201c<\/p>\n Im Weiteren stellt es fest, dass ein an ethnischen Kategorien orientierter Volksbegriff mit der Menschenw\u00fcrde unvereinbar sei.[7]<\/a>\u00a0Die Eindeutigkeit seines Verdiktes steht im Gegensatz zum Grundgesetz, denn im vom OVG M\u00fcnster in Bezug genommenen Art. 116 hei\u00dft es in Absatz 1:<\/p>\n \u201eDeutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangeh\u00f6rigkeit besitzt oder als Fl\u00fcchtling oder Vertriebener\u00a0deutscher Volkszugeh\u00f6rigkeit<\/em>\u00a0oder als dessen Ehegatte oder Abk\u00f6mmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.\u201c [H.d.V.]<\/p>\n W\u00e4hrend das Bundesverfassungsgericht den im Grundgesetz vorhandenen Begriff der Volkszugeh\u00f6rigkeit f\u00fcr seine Entscheidung schlicht ignoriert[8]<\/a>, verwickelt sich das OVG M\u00fcnster in einen bemerkenswerten Selbstwiderspruch. Denn zum einen gesteht es dem Gesetzgeber ein Wahlrecht (!) zu, bei der Bestimmung des Staatsb\u00fcrgerrechts an das Abstammungsprinzip bzw. die deutsche Volkszugeh\u00f6rigkeit\u00a0oder<\/em>\u00a0an die faktische Gesamtbev\u00f6lkerung anzukn\u00fcpfen. Zum anderen sieht es eine politische Zielsetzung als verfassungsfeindlich an, die aus ethnisch-kulturellen Differenzen staatsb\u00fcrgerrechtliche Folgerungen zieht.\u00a0\u00a0Selten hat sich eine Argumentation so widerlegt wie diese. Denn wenn es das Recht des Gesetzgebers ist, die Staatszugeh\u00f6rigkeit aus der Volkszugeh\u00f6rigkeit abzuleiten, dann folgt daraus begriffsnotwendig, dass eine politische Partei, die als gegenw\u00e4rtiger oder k\u00fcnftiger Teil des Gesetzgebers fungiert, ebenso berechtigt ist, entsprechende Forderungen zu erheben und \u00f6ffentlich zur Debatte zu stellen. Sie kann demnach nicht verfassungsfeindlich sein. In seiner argumentativen Inkonsequenz hat das Gericht mit erfreulicher, aber wom\u00f6glich nicht bedachter, Deutlichkeit ausgesprochen, dass Volkszugeh\u00f6rigkeit und Staatsb\u00fcrgerschaft nicht gleichzusetzen sind. Daher soll im folgenden versucht werden, die Begriffe zu ordnen.<\/p>\n Volk im Staatsorganisationsrecht<\/strong><\/p>\n Im Grundgesetz taucht der Volksbegriff an unterschiedlichen Orten auf. In der Pr\u00e4ambel wird konstatiert, dass es, das GG, nunmehr, nach der Vereinigung West- und Mitteldeutschlands f\u00fcr das gesamte Deutsche Volk gelte. In Art. 1 Absatz 2 bekennt sich dieses Volk zu den \u201eunverletzlichen\u201c und \u201eunver\u00e4u\u00dferlichen\u201c Menschenrechten. Schlie\u00dflich erscheint es in der organisatorischen Fundamentalnorm des Art. 20 Absatz 2:<\/p>\n \u201eAlle Staatsgewalt geht vom Volke aus.\u201c<\/p>\n Damit wird \u201edas\u201c Volk zum staatlichen Souver\u00e4n erkl\u00e4rt, was gem\u00e4\u00df Art. 79 Absatz 3 GG als unab\u00e4nderlich gilt. Nicht einmal ein einstimmiger Beschluss des Bundestages k\u00f6nnte die Volkssouver\u00e4nit\u00e4t aufheben. Als Souver\u00e4n wird \u201eVolk\u201c zum Zentralbegriff der gesamten Verfassungsordnung. Durch die Kuppelung Volk gleich Staatsgewalt wird Volk als Tr\u00e4ger, und zwar als alleiniger, staatlicher Rechte definiert. Daraus folgt, dass Volk insoweit als Gesamtheit der Staatsb\u00fcrger zu verstehen ist, denn Rechte im Staat kann nur aus\u00fcben, wer Teil des Staates ist, und wenn das Volk die h\u00f6chsten Rechte besitzt, kann insoweit nur das Staatsvolk gemeint sein. Das wird durch diejenigen vorangehenden Grundrechte best\u00e4tigt, in denen sich der Begriff \u201eDeutsche\u201c findet, denen das entsprechende Recht vorbehalten ist, zum Beispiel die Versammlungsfreiheit. Im Gegensatz dazu kennt das Grundgesetz auch Jedermannsrechte wie die Meinungsfreiheit. Auch eine solche Differenzierung ergibt nur einen Sinn, wenn man als \u201eDeutsche\u201c die Inhaber der Staatsb\u00fcrgerschaft versteht, da Staatsb\u00fcrger in Konsequenz des eben genannten Artikels 20 alle Rechte haben, demnach auch alle Grundrechte, was f\u00fcr blo\u00dfe Bewohner nicht gilt. Nach der von Georg Jellinek[9]<\/a>\u00a0begr\u00fcndeten Drei-Elemente-Lehre setzt sich der Staat aus Staatsvolk, verstanden als Staatsb\u00fcrger, Staatsgebiet und Staatsgewalt zusammen. Mit all dem ist aber nur eine funktionale Rechtsstellung beschrieben. Wer Teil dieses Volkes ist, wer also Staatsb\u00fcrger werden kann, ist damit nicht gesagt.<\/p>\n <\/p>\n Volk als soziologischer Begriff<\/strong><\/p>\n Dazu bringt der zuvor genannte Art. 116 Aufschluss. Seine bemerkenswerte Formulierung kn\u00fcpft an die klassische Auffassung vom Volk, die wahrscheinlich jeder intuitiv im Sinn hat, wenn der Begriff aufkommt. Der Historiker Friedrich Meinecke formulierte es wie folgt:<\/p>\n \u201e\u201eGemeinsamer Wohnsitz, gemeinsame Abstammung \u2013 oder genauer gesagt, da es keine im anthropologischen Sinne rassenreinen Nationen gibt \u2013, gemeinsam oder \u00e4hnliche Blutmischung, gemeinsame Sprache, gemeinsames geistiges Leben, gemeinsamer Staatsverband oder F\u00f6deration mehrerer gleichartiger Staaten \u2013 alles das k\u00f6nnen wichtige und wesentliche Merkmale einer Nation sein.\u201c[10]<\/a><\/p>\n \u00c4hnliches kann man erstaunlicherweise auch in einem Lehrbuch des nachmaligen Bundespr\u00e4sidenten Roman Herzog[11]<\/a>\u00a0lesen, und wenn der ber\u00fchmte Staatsrechtler der 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts Carl Schmitt den Staat die politische Einheit eines Volkes nennt[12]<\/a>, ist damit ausgedr\u00fcckt, dass sich der Staat vom Volk ableitet, und nicht umgekehrt. Schmitt ist es denn auch, der knapp aber klar feststellt, dass es ein Volk\u00a0vor<\/em>\u00a0der Verfassung gibt, also, dass erst das Volk besteht, das sich einen Staat konstituiert.\u00a0\u00a0Das verlangt aber denknotwendig eine soziologische Eigenheit. Die Staatsb\u00fcrgerschaft kann nach diesem Verst\u00e4ndnis nicht der konstituierende Begriff sein. Das wird durch eine \u00dcberlegung aus dem V\u00f6lkerrecht gest\u00fctzt. W\u00e4hrend des Ersten Weltkrieges brachten die damaligen Entente-M\u00e4chte den Begriff des Selbstbestimmungsrechts der V\u00f6lker auf. Das taten sie selbstverst\u00e4ndlich nicht, um eine gerechtere Weltordnung zu errichten, sondern als Propaganda-Parole, um \u00d6sterreich-Ungarn, den Verb\u00fcndeten des Deutschen Reichs, zu zersetzen. Denn die Habsburgermonarchie galt als Vielv\u00f6lkerstaat, der dadurch gekennzeichnet ist, dass unter einer Staatsb\u00fcrgerschaft zahlreiche \u201eV\u00f6lker\u201c zu Staatsb\u00fcrgern zusammengefasst sind.[13]<\/a>\u00a0Im Falle \u00d6sterreich-Ungarns w\u00e4re es demnach unsinnig gewesen, zu sagen, es bestehe neben Serben, Kroaten, Tschechen, Slowenen, Ungarn usw. auch aus \u00d6sterreichern. \u00d6sterreicher waren sie alle. Die entsprechende Volkskategorie war insofern die der Deutschen, die ihrem nach dem Krieg verbliebenen Rumpfstaat im ersten Staatsgrundgesetz von 1918 den Namen \u201eDeutsch-\u00d6sterreich\u201c gaben und den Anschluss an das Deutsche Reich forderten. Auch die Deutschen in der neu geschaffenen Tschechoslowakei bekannten sich als eben das: (Sudeten-) Deutsche, und nicht etwa als \u00d6sterreicher oder B\u00f6hmen. All das verdeutlicht, dass Volk etwas kategorial anderes ist als Staatsb\u00fcrger.<\/p>\n Das aber leugnen die Vertreter der Gegenwartslehre. Sie meinen, aus dem ersten Halbsatz des Artikels 116 \u201eDeutscher ist, wer die deutsche Staatsb\u00fcrgerschaft besitzt\u201c, folgern zu k\u00f6nnen, dass sich das Volk an sich (und ausschlie\u00dflich) von den B\u00fcrgerechten ableite und es daher dem Gesetzgeber freistehe, nach Belieben den Kreis der Volksangeh\u00f6rigen zu erweitern (nicht aber zu verringern, denn dagegen spreche die Menschenw\u00fcrde, siehe oben). Die \u00c4nderung des Staatsb\u00fcrgerschaftsrechts bewirkt also die Ver\u00e4nderung des Volkes und somit des Souver\u00e4ns selbst. Genau das geschah erstmals im Jahre 1999, als das bis dahin geltende Reichs- und Staatsangeh\u00f6rigkeitsgesetz durch das Staatsangeh\u00f6rigkeitsgesetz abgel\u00f6st wurde. Damit wurde das Abstammungsprinzip durch das Bodenprinzip ersetzt. Deutscher ist nun, wer in der Bundesrepublik geboren wird, egal woher seine Vorfahren kommen. Seitdem wurde das Gesetz immer wieder ver\u00e4ndert, im Propagandasprech der Verantwortlichen \u201emodernisiert, um die M\u00f6glichkeiten zur Einb\u00fcrgerung umfassend zu erweitern. J\u00fcngst geschah das 2024, um einen neuen \u00dcberfremdungsschub herbeizuf\u00fchren. \u00dcber die st\u00e4ndige Reform des Staatsb\u00fcrgerrechtes die \u00c4nderung bzw. partielle Ersetzung des Souver\u00e4ns zu erwirken, ist aber faktisch nichts anderes, als ein staatspolitischer Umsturz, der das Prinzip der Volkssouver\u00e4nit\u00e4t auf kaltem Wege au\u00dfer Kraft setzt.<\/p>\n Dar\u00fcber hinaus steht einem solchen Vorgehen Art. 79 Absatz 3 GG entgegen, wonach die in Art. 20 GG niedergelegten Grunds\u00e4tze \u201eEwigkeitswert\u201c genie\u00dfen, nicht, auch nicht einstimmig ge\u00e4ndert werden k\u00f6nnen. Das mindeste, was bei einer Entscheidung solcher Tragweite zu verlangen w\u00e4re, w\u00e4re, dass der Souver\u00e4n dazu befragt w\u00fcrde, also eine Volksabstimmung der bisherigen Staatsb\u00fcrger stattf\u00e4nde. Richtigerweise hielten zwei der f\u00fchrenden deutschen Staatsrechtler, die Professoren Hans-J\u00fcrgen Isensee und Rupert Scholz, den Anschlag auf das bis dahin geltende Recht im Jahre 1999 f\u00fcr unzul\u00e4ssig. Isensee sprach sogar von einem Staatsstreich durch das Parlament.[14]<\/a>\u00a0Mit ihrer Kritik blieben die beiden Juristen ungeh\u00f6rt. Aber in der Sache hatten sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Das bedeutet, dass nahezu jede Einb\u00fcrgerung und Verleihung der Staatsb\u00fcrgerschaft an Fremde seit 1999 verfassungswidrig war bzw. ist, und zwar in einer Offensichtlichkeit, dass man sie f\u00fcr nichtig halten k\u00f6nnte.<\/p>\n <\/p>\n Das Wahrungsgebot<\/strong><\/p>\n Ein abschlie\u00dfender Blick auf eine der wenigen verfassungsgerichtlichen Entscheidungen zum Volksbegriff unterstreicht die vorgenannten \u00dcberlegungen. Es handelt sich um den Teso-Beschluss vom 21. Oktober 1987.[15]<\/a>\u00a0Dem lag die Frage zugrunde, ob ein in der DDR aufgewachsener B\u00fcrger, der \u00fcber seine Mutter (auch) die italienische Staatsb\u00fcrgerschaft besa\u00df, nach der \u00dcbersiedlung in die Bundesrepublik \u201eDeutscher\u201c im Sinne des Art. 116 GG sei. Im Schwerpunkt ging es um das Verh\u00e4ltnis der Staatsb\u00fcrgerschaft der DDR zu der der Bundesrepublik, bzw. um die Frage einer einheitlichen Staatsb\u00fcrgerschaft, unabh\u00e4ngig von dem Bestehen zweier deutscher Staaten. Bekanntlich vertrat die alte BRD bis zuletzt den Standpunkt der einheitlichen (deutschen) B\u00fcrgerschaft, weshalb DDR-Fl\u00fcchtlinge in der Bundesrepublik nicht eingeb\u00fcrgert wurden, sondern automatisch als Deutsche und damit als bundesdeutsche Staatsb\u00fcrger galten. Aus dem Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes leitete das Bundesverfassungsgericht daher ein Wahrungsgebot bez\u00fcglich der Staatsangeh\u00f6rigkeit ab. Der erste Leitsatz des Beschlusses lautet:<\/p>\n \u201eAus dem Gebot der Wahrung der Einheit der deutschen Staatsangeh\u00f6rigkeit (Art. 116 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1 GG), das eine normative Konkretisierung des im Grundgesetz enthaltenen Wiedervereinigungsgebots ist, folgt, dass dem Erwerb der Staatsb\u00fcrgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik f\u00fcr die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland in den Grenzen des ordre public die Rechtswirkung des Erwerbs der deutschen Staatsangeh\u00f6rigkeit beizumessen ist.\u201c<\/p>\n In der Begr\u00fcndung f\u00fchrt das Gericht sodann aus:<\/p>\n \u201eAus dem Wahrungsgebot folgt insbesondere die verfassungsrechtliche Pflicht, die Identit\u00e4t des deutschen Staatsvolkes zu erhalten. Diese Pflicht ist nicht statisch auf den Kreis derjenigen Personen begrenzt, die bei Inkrafttreten des Grundgesetzes deutsche Staatsangeh\u00f6rige waren, und auf jene, die sp\u00e4ter zufolge des Reichs- und Staatsangeh\u00f6rigkeitsgesetzes die deutsche Staatsangeh\u00f6rigkeit erworben haben und noch erwerben werden.\u201c<\/p>\n \u201eDie im Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes enthaltene Wahrungspflicht gebietet es auch, die Einheit des deutschen Volkes als des Tr\u00e4gers des v\u00f6lkerrechtlichen Selbstbestimmungsrechts nach M\u00f6glichkeit zukunftsgerichtet auf Dauer zu bewahren.\u201c<\/p>\n Die Verfechter der multikulturellen Aufl\u00f6sung behaupten nun, dass aus der Ankn\u00fcpfung der Entscheidung an das Staatsb\u00fcrgerrecht (und nicht an das Volkstum) dem Abstammungsprinzip vom Gericht eine Absage erteilt worden sei.[16]<\/a>\u00a0Aber das ist ein Denkfehler. Denn das Gericht verlangt, die Identit\u00e4t des Staatsvolkes in der Form zu erhalten, wie es sie durch das RuStG von 1913 seinerzeit besa\u00df. Wenn also von einer Identit\u00e4t in Bezug auf das Staatsb\u00fcrgerrecht gesprochen wird, dann ist damit eine Identit\u00e4t auf das in dem damaligen Staatsb\u00fcrgerrecht festgeschriebene Abstammungsprinzip inbegriffen. Ein anderes Urteil[17]<\/a>\u00a0gesteht allerdings dem Gesetzgeber zu, \u00fcber das Staatsb\u00fcrgerrecht die Zusammensetzung des Staatsvolkes zu \u00e4ndern. Es setzt sich jedoch nicht mit den grundlegenden Fragen von Abstammungsvolk und Staatsvolk auseinander und denkt auch eher an erleichterte Einb\u00fcrgerungen als an eine komplette Revision der Staatsb\u00fcrgerschaft. Dabei ist anzumerken, dass noch nie, auch im Kaiserreich die Staatsb\u00fcrgerschaft einem monolithischen, v\u00f6lkischen Block entsprach. Grunds\u00e4tzlich spricht auch nichts dagegen,\u00a0\u00a0sie in Ma\u00dfen unabh\u00e4ngig von der Ethnie zu vergeben, es sei denn, damit soll der gro\u00dfe Austausch zulasten der autochthonen Bev\u00f6lkerung juristisch abgesichert werden.<\/p>\n <\/p>\n Fazit:<\/strong><\/p>\n Das hei\u00dft, dass vom urspr\u00fcnglichen deutschen, auch bundesdeutschen, Staatsb\u00fcrgerrecht der ethnische Volkstumsbegriff vorausgesetzt und dieser in jenem enthalten ist. Seine Abschaffung \u00fcber die einfachgesetzliche \u00c4nderung der Staatsb\u00fcrgerschaft im Jahre 1999 war ein verfassungswidriger, rechtstechnischer Taschenspieletrick, der die Stellung des Staatsvolkes im Verfassungsgef\u00fcge ignorierte.<\/p>\n Wenn man der hier vertretenen Auffassung folgt, ergibt sich eine interessante politische Konsequenz: Parteien wie die AfD oder Gruppen wie die IB oder andere sind es n\u00e4mlich dann, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Die Faesers, Haldenwangs und wie sie hei\u00dfen, sind es hingegen nicht.<\/p>\n <\/p>\n <\/p>\n [1]<\/a>\u00a0Klage gegen das Aufenthaltsverbot: VG Karlsruhe 9 K 4719\/24, zum Einreiseverbot von Potsdam siehe: legal tribune\u00a0\u00a0https:\/\/www.lto.de\/recht\/hintergruende\/h\/martin-sellner-einreiseverbot-aufgehoben-vg-potsdam.<\/p>\n [2]<\/a>\u00a0Umfassend zur Thematik eines ideologisch begr\u00fcndeten Parteiverbots: Sch\u00fc\u00dflburner, Demokratie-Sonderweg Bundesrepublik, K\u00f6nigstein 2004.<\/p>\n [3]<\/a>\u00a0VG K\u00f6ln Urteil 13 K 326\/21 vom 08.03.2021<\/p>\n [4]<\/a>\u00a0OVG M\u00fcnster Urteil 5 A 1218\/22 vom 13.05.2024. Die urteile sind bei Eingabe der Aktenzeichen leicht im Netz zu finden. Auch im Falle von Compact bildet der v\u00f6lkische Volksbegriff einen Schwerpunkt der Vorw\u00fcrfe.<\/p>\n [5]<\/a>\u00a0Randnummern 206 und 207.<\/p>\n [6]<\/a>\u00a0Rn. 541.<\/p>\n [7]<\/a>\u00a0Rnrn. 688 bis 691.<\/p>\n [8]<\/a>\u00a0Grundlegende Kritik an dem Urteil bei Thor v. Waldstein, Wer sch\u00fctzt die Verfassung vor Karlsruhe, 2017.<\/p>\n [9]<\/a>\u00a0Allgemeine Staatslehre, 3. Auflage, 1928, S. 394ff.<\/p>\n [10]<\/a>\u00a0Friedrich Meinecke, Weltb\u00fcrgertum und Nationalstaat, 2.\u00a0\u00a0Aufl., M\u00fcnchen und Berlin, 1911, S. 1.<\/p>\n [11]<\/a>\u00a0Allgemeine Staatslehre, Frankfurt a.M., 1971, S. 43.<\/p>\n [12]<\/a>\u00a0Verfassungslehre, 8. Aufl., 1993, S. 3. Im Begriff des Politischen, erste Seite des Haupttextes, nennt er den Staat den Status (zustand) des in territorialer Geschlossenheit organisierten Volkes.<\/p>\n [13]<\/a>\u00a0Das erf\u00e4hrt der Leser sogar bei Wikipedia, Stichwort Vielv\u00f6lkerstaat.<\/p>\n [14]<\/a>\u00a0Scholz\/Uhle, NJW 1999, 1510ff; Isensee, Die Welt (sic!), 06.01.1999.<\/p>\n [15]<\/a>\u00a0BVerfGE 77, 137.<\/p>\n