{"id":10457,"date":"2025-03-04T19:39:45","date_gmt":"2025-03-04T18:39:45","guid":{"rendered":"https:\/\/gegenstrom.org\/?p=10457"},"modified":"2025-03-05T16:38:16","modified_gmt":"2025-03-05T15:38:16","slug":"quo-vadis-deutsche-rechte-das-grosse-interview-mit-dominik-schwarzenberger-teil-1","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/gegenstrom.org\/en\/quo-vadis-deutsche-rechte-das-grosse-interview-mit-dominik-schwarzenberger-teil-1\/","title":{"rendered":"Quo vadis, Deutsche Rechte? – Das gro\u00dfe Interview mit Dominik Schwarzenberger – Teil 1"},"content":{"rendered":"
Die Rechte ist im Zugzwang. W\u00e4hrend die herrschende Klasse zunehmend an Einfluss verliert und sich immer mehr Menschen politisch nach rechts orientieren, sind die Rechten gar nicht auf die ver\u00e4ndernden Verh\u00e4ltnisse vorbereitet. Es stellt sich gar die Frage, ob selbige qualitativ den geschichtlichen Anforderungen gewachsen sind. Daher sprechen wir mit unserem Autor, Analysten und Fachmann f\u00fcr Ideengeschichte und Identit\u00e4tsforschung Dominik Schwarzenberger<\/strong> \u00fcber das Thema. Schwarzenberger ist Politikwissenschaftler, Historiker und befasst sich seit vielen Jahren mit religionswissenschaftlichen Fragen. Die Redaktion <\/em><\/p>\n <\/p>\n Hier geht es zum vollst\u00e4ndigen Interview.\u00a0<\/strong><\/a><\/p>\n <\/p>\n Teil I: \u201eIm Kulturellen und K\u00fcnstlerischen hat die aktuelle Rechte einiges zu bieten (\u2026) aber es fehlt an Denkern\u201c<\/strong><\/p>\n \u00a0<\/strong><\/p>\n <\/p>\n Herr Schwarzenberger, erleben wir gerade einen Rechtsruck in Deutschland und Europa oder kommt es einem nur so vor, aufgrund der starken Meinungsverschiebung gen links?<\/em><\/p>\n D.S.:<\/strong> Wir erleben einen globalen Backlash, der auf die Ersch\u00fctterung des Eigenen reagiert und sich nicht nur auf Europa beschr\u00e4nkt. Diese geographische Erg\u00e4nzung ist wichtig, weil manche rechte Narrative eine angeblich geplante Vernichtung wei\u00dfer V\u00f6lker herbeireden. Besagter Backlash kann sich ganz unterschiedlich in der Abwehr gegen Masseneinwanderung, Wertenihilismus und Aufl\u00f6sung des Nationalen \u00e4u\u00dfern. Rechts im genuinen Sinn ist das nur selten und kann auch von links wie aktuell in Osteuropa, Sri Lanka oder Mexiko erfolgen.<\/p>\n Wie Sie richtig vermuten, beschr\u00e4nken sich sogenannte rechten Forderungen oft nur auf eine Restauration der Verh\u00e4ltnisse wie wir sie in den 1990er oder allenfalls den 1970ern vorfanden. Rechts in Bezug auf was? Selbst diese bescheidenen Forderungen werden in der politischen Praxis nur m\u00e4\u00dfig umgesetzt, die Emanzipatorische Linke als Motor der Linksverschiebung verschwindet ja auch nicht von der politischen B\u00fchne \u2013 sie bleibt einflussreich und wie j\u00fcngst bei italienischen Regionalwahlen auch mehrheitsf\u00e4hig. Von einer Trendwende kann daher keine Rede sein.<\/p>\n <\/p>\n Was verstehen Sie unter rechts? Was ist f\u00fcr Sie die Rechte?<\/em><\/p>\n D.S.:<\/strong> Die Rechte im urspr\u00fcnglichen Sinn gibt es heute kaum noch, die war religi\u00f6s-theokratisch, aristokratisch-monarchisch, antiaufkl\u00e4rerisch, gegen die \u201eIdeen von 1789\u201c und multiethnisch. Daraus folgt die Verneinung jeglicher Volkssouver\u00e4nit\u00e4t im Politischen wie Juristischen. Der moderne Nationalismus wird demnach als Volks- und Staatsvergottung abgelehnt, da das Au\u00dfermenschliche als Legitimationsquelle seine Exklusivstellung verliert und eine Uniformierung und Zentralisierung nach Innen stattfindet sowie eine anarchisch sozialdarwinistische Umwelt zwischen den Nationen zum Ideal wird. Der Charakter des V\u00f6lkischen wird nicht abgelehnt, wohl aber dessen Absolutheitsanspruch und Missachtung des Spirituellen. Dennoch bleibt das identit\u00e4re Element als Attribut des Besonderen \u2013 in dem Fall der ethnischen Mannigfaltigkeit \u2013, notwendig, weshalb Sprachen und Kulturen als \u201eGedanken Gottes\u201c erhaltenswert erscheinen. Liberale und Linke wiederum ignorieren das Biologische und \u00fcberbetonen die Vernunft. Man findet Reste dieser urspr\u00fcnglichen Rechten in wenigen L\u00e4ndern Europas und unter Muslimen, Hindus, Buddhisten oder Naturreligi\u00f6sen auf anderen Kontinenten. Die Anh\u00e4nger der \u201eIntegralen Tradition\u201c im Sinne Gu\u00e9nons und Evolas sind gleichfalls Reste urspr\u00fcnglicher Rechter. Ich sehe mich allerdings als revisionistischer Evola-Anh\u00e4nger, da ich an kein von Menschen bestimmtes \u201eGoldenes Zeitalter\u201c glaube, das erscheint mir als Utopie r\u00fcckw\u00e4rts. Ein \u201eGoldenes Zeitalter\u201c kann nur au\u00dferhalb menschlicher Quellen gefunden werden.<\/p>\n Ich verweise den tiefgr\u00fcndig interessierten Leser auf Kuenelt Leddins \u201eFreiheit oder Gleichheit?\u201c von 1953, auf Julius Evola, Josef Sch\u00fc\u00dflburners \u201eRoter, brauner und gr\u00fcner Sozialismus\u201c von 2008 sowie Norbert Borrmanns \u201eWarum rechts?\u201c von 2011.<\/p>\n Es gibt demgegen\u00fcber viele hybridisierte Rechte, die noch einige Kriterien dieser hohen ideologischen Messlatte erf\u00fcllen: das sind die Traditionalisten in Bezug auf Werte, Ehe und Familie mit einer Hochsch\u00e4tzung des Religi\u00f6sen im gesellschaftlichen \u00dcberbau. Das Ethnische und Nationale spielt bei ihnen jedoch schon eine dominierende Rolle. Die Akteure der globalen \u201eThird Position\u201c m\u00f6gen als weitere Vertreter dienen. Davon abzugrenzen sind die Modernisten, die sich auf die blo\u00dfe Abwehr von Einwanderung beschr\u00e4nken und die linke Werterevolution unbedingt erhalten wollen. Geert Wilders ist ihre Galionsfigur.<\/p>\n <\/p>\n Unterscheiden Sie als Politologe in Alte und Neue Rechte? Wo liegen aus Ihrer Sicht die ideengeschichtlichen und ideologischen Bruchlinien?<\/em><\/p>\n D.S.:<\/strong> Diese Unterscheidung kann ich zumindest f\u00fcr Deutschland nicht nachvollziehen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass \u201eNeue Rechte\u201c als Eigenbezeichnung von Personen gebraucht wird, die unliebsame Rivalen als negativ besetzte \u201eAlte Rechte\u201c entsorgen wollen. \u201eNeue Rechte\u201c kann eine Eigenbezeichnung sein, \u201eAlte\u201c dagegen ist stets eine Fremdzuschreibung mit zweifelhaftem Inhalt, etwa Verwurzelung im Nationalsozialismus. Dieses Kriterium trifft aber nur auf sehr wenige als \u201eAlte Rechte\u201c verortete Personen und Organisationen zu.<\/p>\n In Deutschland und \u00d6sterreich existieren dar\u00fcber hinaus mehrere Konzepte einer \u201eNeuen Rechten\u201c. Kriterien einer solchen Klassifizierung gibt es hierzulande nicht. Ich verweise auf die hervorragende Studie des seligen \u201eVereins f\u00fcr Staatspolitik\u201c: \u201eDie ,Neue Rechte\u00b4. Sinn und Grenze eines Begriffs\u201c von 2003. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sich Neonationalsozialisten gemeinsam mit eher linken Nationalrevolution\u00e4ren in der \u201eAktion Neue Rechte\u201c, einer NPD-Abspaltung, als \u201eNeue Rechte\u201c bezeichneten. Das Kriterium in diesem Fall war das Abr\u00fccken vom biederen Parteienengagement und Staatsn\u00e4he. Damals war die Bonner Republik n\u00e4mlich eher gegen links eingestellt.<\/p>\n Im Frankreich vor 1970 kann ich die Idee einer \u201eNeuen Rechten\u201c durchaus nachvollziehen: Deren Protagonisten wandten sich gegen die Fixierung konventioneller Rechter auf bestimmte Epochen franz\u00f6sischer Geschichte wie Vichy, Napoleon I und III sowie der K\u00f6nigszeit und favorisierten stattdessen einen Neubeginn auf wissenschaftlich-sachlicher Grundlage, paneurop\u00e4isch und jenseits aller Parteien \u00fcber eine Kulturrevolution zur Erringung der geistigen Hegemonie wie sie Gramsci beschreibt. Das hat sich aber auch l\u00e4ngst relativiert.<\/p>\n Akzeptabel finde ich die Bezeichnung \u201eNeue Rechte\u201c im Sinne von \u201everj\u00fcngte\u201c Rechte als Ergebnis eines Generationenkonflikts.<\/p>\n <\/p>\n Wo sehen Sie die historischen und ideologischen Bruchlinien zwischen der urspr\u00fcnglichen und der heutigen Rechten?<\/em><\/p>\n D.S.:<\/strong> In Deutschland besteht die entscheidende Bruchlinie in der Reichsneugr\u00fcndung von 1871. Damals ersetzte das Konzept Nationalstaat den Reichsgedanken. Der deutsche Nationalismus wurde in den 1850ern vom weitsichtigen Bismarck wahrscheinlich z\u00e4hneknirschend okkupiert und den liberalen Feinden als deren wirkm\u00e4chtigstes Instrument entrissen. Der deutsche Liberalismus und auch der altpreu\u00dfische Konservatismus spalteten sich daraufhin. Das Religi\u00f6se wurde zur Privatangelegenheit degradiert. Fortan war in Deutschland zumindest rechts gleich nationalistisch \u2013 aber noch nicht nationalistisch gleich rechts, das vollendete sich erst in unserer Zeit. Die traditionellen Rechten einiger deutscher Territorien wie Bayern oder Hannover hingen noch lange den urspr\u00fcnglichen Idealen an, das trifft auch auf die \u00f6sterreichischen Rechten zu. In anderen L\u00e4ndern gab es zeitlich und urs\u00e4chlich andere Br\u00fcche und Entwicklungen. Der Nationalismus blieb noch lange eine Dom\u00e4ne des Liberalismus wie in Osteuropa, Balkan oder den \u00fcberseeischen Kolonien.<\/p>\n <\/p>\n Was sind aus Ihrer Sicht genuin rechte Themen? Also womit befassen sich nur Rechte?<\/em><\/p>\n D.S.:<\/strong> Da f\u00e4llt mir nur die Herausstellung des Eigenen in Abgrenzung zum Anderen ein und das breite Feld der Kulturkritik, d.h. das messerscharfe Sezieren geistiger Ph\u00e4nomene, eine Art Epochenanalyse mit Fokus auf Degenerationserscheinungen. Stil, \u00c4sthetik und Haltung spielen dabei eine zentrale Rolle. Deshalb erscheint der Rechte als Bedenkentr\u00e4ger und Meckerer, dem man nichts recht machen kann. Das gilt besonders f\u00fcr streng Religi\u00f6se und Anh\u00e4nger der erw\u00e4hnten \u201eIntegralen Tradition\u201c. Bei Linken und Liberalen ist das Kulturelle im sozio\u00f6konomischen \u00dcberbau dagegen nur eine Nebensache.<\/p>\n Auf andere Fragen wie etwa Einwanderung und Globalisierung haben Rechte kein Monopol. Da unterscheiden sich nur Diagnose und Therapie. Religion als weiteres Thema m\u00f6chte man vermuten, aber da gibt es umfassende liberale wie linke Narrative und sogar eine linke Theologieentwicklung.<\/p>\n <\/p>\n <\/p>\n Schauen wir ins europ\u00e4ische Ausland. Hier werden gerne Beispiele wie die FP\u00d6 in \u00d6sterreich, der Rassemblement National in Frankreich oder die Fidesz in Ungarn als Vorbilder herangezogen. Kritiker beklagen, dass diese Akteure nur Schein-Rechte sind, da sie zu populistisch w\u00e4ren und zu sehr an der Oberfl\u00e4che kratzen, ohne wirkliche Ver\u00e4nderungen hervorzurufen. Braucht es nicht dennoch solcher \u201eEisbrecher\u201c, um weitreichendere Ver\u00e4nderungen hervorzurufen? Wie sehen Sie die Aufgabe der AfD in Deutschland? Ist die Rolle vergleichbar zu den genannten Akteuren?<\/em><\/p>\n D.S.:<\/strong> Nat\u00fcrlich bedarf es \u201eEisbrecher\u201c, das m\u00fcssen aber nicht Parteien sein, auch Medien, spektakul\u00e4re Aktionen oder au\u00dferparlamentarische Organisationen k\u00f6nnen diese Funktion \u00fcbernehmen. Die drei genannten Parteien sind Eisbrecher gegen das Packeis des Parteienfilzes mit Klientel- und \u00c4mternepotismus. Ganz nach populistischer Manier vertreten sie den \u201ekleinen Mann\u201c gegen die \u201eoben\u201c. Allerdings sind ihre genannten Parteien weniger ideologische Eisbrecher oder Tabubrecher. FP\u00d6 und RN haben n\u00e4mlich kein Monopol auf das rechte Prinzip, deren Besonderheit liegt woanders. Zun\u00e4chst: das Rechte finden wir auch in der \u00d6VP, die eben nur bedingt eine \u00f6sterreichische CDU ist und bei den Gaullisten. Das Nationale ist in \u00d6sterreich wie Frankreich nicht nonkonform und das rechtspopulistische Moment der \u00d6VP unter Sebastian Kurz war nicht nur eine Reaktion auf die FP\u00d6-Konkurrenz, sondern spiegelte eine interne Str\u00f6mung wieder. Die \u00d6VP vertritt sogar die urspr\u00fcngliche Rechte des \u201eErsten Lagers\u201c, w\u00e4hrend die FP\u00d6 \u00fcber Jahrzehnte eine Sammlung des heimatlosen Restes war. FP\u00d6 und die Parteien der beiden LePens zeichnen sich durch ein Ph\u00e4nomen aus, das mir anl\u00e4sslich zahlreicher Wahlanalysen auffiel: sie vertreten nicht das typische rechte W\u00e4hlermilieu, sondern die Deklassierten, Opfer der modernen Entwurzelung \u2013 und das war das Klientel der Linken. Bei der FP\u00d6 kommt noch ein rebellischer Zug hinzu, der sich gegen die enge Verflechtung von \u00d6VP und SP\u00d6 mit Verwaltung, Gewerkschaften, Wirtschaftskammer und Medien richtet. Die Rolle des ideologischen Eisbrechers spielen in \u00d6sterreich und Frankreich auch die traditionellen Rechten. Der \u201eFront National\u201c der 1970er \u00fcbernahm recht sp\u00e4t das Thema Einwanderung, dieses wurde vorher vom Gaullisten Charles Pasqua virtuos bedient wie auch die Parole vom \u201eEuropa der Vaterl\u00e4nder\u201c. Der verblichene LePen punktete gegen die Parteienherrschaft, die sich den Staat zur Beute machten und das inzwischen verschwundene Algerien-Thema.<\/p>\n In Frankreich sind erste D\u00e4mme schon gebrochen und der Teufel aus der Flasche. Ungarns Orban-Partei steht schon f\u00fcr den \u201eDammbrecher\u201c.<\/p>\n <\/p>\n Was hat es damit auf sich?<\/em><\/p>\n D.S.:<\/strong> Ungarn befindet sich wie der gesamte Ostblock inklusive DDR seit Mitte der 1980er in einem revolution\u00e4ren Prozess: der Konformismus des \u201eGulaschkommunismus\u201c verlor seine Verbindlichkeit und die Geister des `56er Aufstands kamen an die Oberfl\u00e4che zur\u00fcck. Orban begann 1988 als prowestlicher Liberaler und J\u00fcnger George Soros` und etablierte sich neben mehreren ideologischen Lagern. Die sozio\u00f6konomischen Verwerfungen nach 1990 und der fr\u00fche Tod des charismatischen Josef Antalls sorgten f\u00fcr ein Comeback der postkommunistischen Linken, die ein B\u00fcndnis mit vom Westen gef\u00f6rderten Linksliberalen eingingen. Orban wurde \u00fcbergangen. Wie \u00fcberall im Ostblock \u2013 mit den Ausnahmen Tschechien, Estland und Lettland \u2013, waren die Altkommunisten bis auf symbolische S\u00e4uberungen noch im Establishment vertreten. Orbans Partei ging leer aus und er entdeckte \u2013 auch gegen internen Widerstand \u2013, die rechte Marktl\u00fccke. Sukzessiv \u00f6ffnete er seine Partei nach rechts, integrierte radikalere Str\u00f6mungen, aber nie das gesamte ideologische nationalistische Spektrum. Dank Misswirtschaft und der ber\u00fcchtigten \u201eL\u00fcgen-Rede\u201c der regierenden Sozialisten, erstarkte Orban weiter und formte Ungarn zu einer \u201eilliberalen Demokratie\u201c. Er \u00f6ffnete die ideologischen D\u00e4mme und schuf ein Ungarn, in dem momentan alles m\u00f6glich ist. Es handelte sich nicht um eine geplante \u201eKonservative Revolution\u201c, sondern Orban entwickelte sich zum Nationalisten oder besser Souver\u00e4nisten. Er ist mehr ein Getriebener als ein Gestalter und musste sich immer wieder mit echten rechten Konkurrenten arrangieren.<\/p>\n <\/p>\n In welchen europ\u00e4ischen L\u00e4ndern k\u00f6nnen die Rechten Anleihen holen? Gibt es L\u00e4nder, die in vergleichbaren Situationen sind, wie die Deutschen?<\/em><\/p>\n D.S.:<\/strong> Der BRD vergleichbare Situationen finden wir in Gro\u00dfbritannien, Niederlande, Schweden und lange in noch versch\u00e4rfterer Form in Portugal. Portugal deshalb, weil es mit der \u201eNelkenrevolution\u201c von 1974 eine offizielle ganz klare linke Staatsraison gab. In den besagten L\u00e4ndern fungieren die rechtspopulistischen Parteien oder bestimmte Pers\u00f6nlichkeiten als die angesprochenen Eisbrecher: \u201eChega\u201c in Portugal, die \u201eSchwedendemokraten\u201c in Skandinavien, Nigel Farage in Gro\u00dfbritannien und Pim Fortuyn und v.a. dessen Ermordung in den Niederlanden. Wilders schwimmt im Fahrwasser Fortuyns. Deutschland ist gespalten: der Westen entspricht den erw\u00e4hnten L\u00e4ndern mit der AfD-West als \u201eEisbrecher\u201c, w\u00e4hrend der Osten der ungarischen Situation gleicht \u2013 mit dem \u201eDammbrecher\u201c AfD-Ost. Ein wohl einmaliges Ph\u00e4nomen.<\/p>\n Es gibt aber noch weitere Analogien zur deutschen Situation: \u00fcber Jahrzehnte der politische Islam in der T\u00fcrkei, Algerien oder \u00c4gypten sowie die Eiserne Garde Codreanus in Rum\u00e4nien. Deren Werdegang sehe ich als \u00e4u\u00dferst lehrreich. Wir brauchen aber gar nicht so weit gehen, schauen wir doch einmal auf die Linken der Weimarer Republik und der Adenauer Zeit.<\/p>\n <\/p>\n Die Deutsche Rechte schaut viel ins Ausland. Insbesondere nach Russland oder China. Diese L\u00e4nder werden vor allem von vielen Anti-Atlantikern und US-kritischen Rechten als Alternativen gefeiert. Auch die Transatlantiker erhoffen sich von den Wahlsieg Donald Trumps eine Politikwende. Der angebliche \u201eSturm auf den Reichstag\u201c, w\u00e4hrend einer Corona-Demo wurde ja u.a. von der Behauptung ausgel\u00f6st, der US-Pr\u00e4sident k\u00e4me pers\u00f6nlich, um die Corona-Politik in Deutschland zu beenden. Wie sch\u00e4tzen Sie diese Akteure ein? Sind Putin, Xi und Trump W\u00f6lfe im Schafspelz oder echte Alternativen f\u00fcr die \u201eEntrechteten\u201c?<\/em><\/p>\n D.S.:<\/strong> Die erw\u00e4hnten Herren sind f\u00fcr mich F\u00fcchse, die sich je nach Konjunktur in den Schafspelz oder Wolfsfell h\u00fcllen. Es sind interessante \u00fcber- oder interideologische Hybride, die sich sehr gut vermarkten k\u00f6nnen, damit steht und f\u00e4llt ihr System. Wie \u00fcblich, sehe ich Vor- wie Nachteile f\u00fcr die Rechte \u2013 und das richtet sich nach den sich st\u00e4ndig \u00e4ndernden Bedingungen. Alle drei Staatssouver\u00e4nisten bringen rechtes Denken auf die B\u00fchne, behindern aber auch rechte Bewegungen. Sie wirken momentan als \u201eOpium des Volkes\u201c. Ich sehe die drei Pers\u00f6nlichkeiten, die sich in prek\u00e4ren Situationen befinden, wie Orban als Getriebene, die die v\u00f6llig unterbewertete \u201eAktie Rechtsradikalismus\u201c entdeckten. Allerdings unterscheiden sich die drei: Putin ist der Technokrat, Xi der Managertyp eines Gro\u00dfkonzerns \u2013 n\u00e4mlich der immer mehr fragmentierenden \u201eKommunistischen\u201c Partei \u2013 und Trump ist der Businessman, der auf Deals lauert. Je nach Umstand sind sie Segen oder Fluch f\u00fcr die globale Rechte. Man kann Milei, Bolsonaro, Babi\u0161, Bukele oder den seligen Berlusconi dazuz\u00e4hlen. In der alten BRD nahm F.J. Strau\u00df diesen hybriden Platz ein. Vor 1945 finden wie diesen zwiesp\u00e4ltigen Typus in Hindenburg und den autorit\u00e4ren Faschismus-Imitatoren Osteuropas.<\/p>\n <\/p>\n Nun sind wir Deutschen seit 1945 in einer sehr besonderen Situation. Wir sind seitdem zu keinem Zeitpunkt mehr voll souver\u00e4n gewesen, glaubt man den Aussagen des ehemaligen Finanzministers Wolfgang Sch\u00e4uble. Auch f\u00e4llt die gewaltige Fixierung gen Washington aus Berlin auf. Mit dem wiederholten Wahlsieg Donald Trumps, d\u00fcrften sich die US-amerikanischen Interessen weiterhin aus Europa Richtung S\u00fcdostasien verschieben. Generell ist schon seit l\u00e4ngerem eine Abkehr von der jahrzehnteanhaltenden Truman- hin zur alten Monroe-Doktrin zu beobachten. Die Deutschen werden nach wie vor neben Frankreich als eine starke F\u00fchrungsmacht in der Mitte Europas wahrgenommen. Ein nationaler Alleingang endete nun schon zwei Mal in einer vollkommenen Katastrophe, wie wir alle wissen. Daher ist es nur folgerichtig, dass es in Deutschland auch unter Rechten zunehmend paneurop\u00e4isch oder zumindest proeurop\u00e4ische Konzepte wieder attraktiver werden. Was halten Sie von dieser Entwicklung?<\/em><\/p>\n D.S.:<\/strong> Diese Orientierung ist das Gebot der Stunde, nur sehe ich keine europ\u00e4ischen Konzepte, nur bewusst unklare Forderungen. Manche Rechte meinen das Richtige, greifen aber die EU so undifferenziert an, dass man eine nationalistische antieurop\u00e4ische Ausrichtung herauslesen kann. Wir sollten Europa vor der EU retten, so wie die Religion von der Kirche. Europa statt EU. Das geh\u00f6rt klar herausgestellt.<\/p>\n <\/p>\n Ist Deutschland ein Nationalstaat oder ein Reich?<\/em><\/p>\n D.S.:<\/strong> Die Deutschen scheinen mir zum Reichsvolk verurteilt zu sein. F\u00fcr einen Nationalstaat ist Deutschland zu gro\u00df und f\u00fcr ein europ\u00e4isches Reichsvolk zu klein, wobei mit \u201egro\u00df\u201c auch Gestaltungspotenziale gemeint sind \u2013 so wie bestimmte politische Pers\u00f6nlichkeiten zu gro\u00df oder zu klein f\u00fcr ihre Staaten sein k\u00f6nnen. Die Deutschen sollen sich ihrer Rolle als raumgestaltende Ordnungsmacht bewusstwerden und andere V\u00f6lker wie ein gro\u00dfer Bruder seine j\u00fcngeren Geschwister behandeln, nicht wie ein Lehrer seine Sch\u00fcler, ein Hirte seine Schafe und auch nicht wie ein Vater seine Kinder. Der Vater ist ein anderer. Leider haben die Deutschen 1871 und erst recht 1933 v\u00f6llig versagt. Andere potenzielle Reichsv\u00f6lker wie Russen, Bulgaren, Polen, Franzosen oder Ungarn haben allerdings ebenfalls versagt. Der verheerende Nationsbegriff der Franz\u00f6sischen Revolution war wohl zu verlockend.<\/p>\n <\/p>\n Das WEF und auch der von der CIA gegr\u00fcndete NIC bef\u00fcrchten eine Renationalisierung Europas. Wie wahrscheinlich ist ein Europa der Nationalstaaten und wie zeitgem\u00e4\u00df ist diese vermeintlich rechte Position heute noch?<\/em><\/p>\n D.S.:<\/strong> Eine Renationalisierung ist global sehr wahrscheinlich, einfach als Reaktion auf den alles erstickenden Globalismus. Mit der Rehabilitierung der Nation geht auch eine Rehabilitierung des Staates einher. Diese wahrscheinliche Entwicklung steht im Kontrast zu den von mir stets angezweifelten Aussagen Martin van Crevelds \u00fcber den Niedergang des Staatlichen und den neuen Kriegen. Wir n\u00e4hern uns vielmehr der Situation vor dem Ersten Weltkrieg an, nur, dass wir \u00fcberall fragile ungesunde Staaten vorfinden. Der Zersetzungsprozess ist schon zu vorangeschritten. Mancher Nationalismus wird sich erholen, andere Nationalismen durch neue Identit\u00e4ten auf regionaler oder v\u00f6lkischer Grundlage ersetzt werden. Die heutige Staatenwelt wird so nicht \u00fcberleben und Platz machen f\u00fcr neue Staaten.<\/p>\n Dialektisch interessant: Globalismus f\u00fchrt zur Renationalisierung und Renationalisierung kann zu einem neuen Globalismus f\u00fchren, n\u00e4mlich dann, wenn die Staaten wie 1914 sich gegenseitig zerfleischen und die desillusionierten V\u00f6lker ihr Heil im globalen Leviathan suchen. Die neuen Nationalismen werden also Br\u00fccken sein im Sinne Evolas genialer Darstellung des \u201eDoppelantlitz des Nationalismus\u201c: entweder als Differenzierungsinstrument und Zwischenglied zu neuen \u00fcberv\u00f6lkischen Reichen oder als nationale Egoismen im globalen Dschungel. Die zunehmende Instrumentalisierung des Nationalen oder besser Staatssouver\u00e4nen durch bisher als kosmopolitisch angesehene Verd\u00e4chtige des \u201eGreat Resets\u201c und Transhumanismus wie j\u00fcngst Elon Musk sollten misstrauisch machen. Aber auch hier sind wie im Falle Putins und Co mehrere Entwicklungsoptionen sichtbar.<\/p>\n Die globale Rechte sollte den differenzierenden defensiven Nationalismus als Vorstufe zu neuen Reichen propagieren. Ich rate aber davon ab, heute schon die Reichsidee zu verfolgen, die muss wachsen. Es fehlt das Religi\u00f6se wie schon thematisiert. Es bleibt der Weg \u00fcber die R\u00e4ume.<\/p>\n <\/p>\n Sie haben uns in der AGORA 3 das Bild eines Europas der R\u00e4ume skizziert. Das gleicht ja einer multipolaren Ordnung auf dem eurasischen Zipfel. Ist diese von Ihnen dargestellte Raumordnung mit den europ\u00e4ischen Pentarchien vom Westf\u00e4lischen Frieden bis zur Ordnung vom Wiener Kongress vergleichbar? Welche Rolle spielen die Staatsformen dieser R\u00e4ume?<\/em><\/p>\n D.S.:<\/strong> Ja, das \u201eEuropa der R\u00e4ume\u201c \u00e4hnelt den beschriebenen Ordnungen. Es sei erw\u00e4hnt, dass ich die R\u00e4ume weder W\u00fcnsche noch ablehne, sondern \u00fcber den erw\u00e4hnten Zwischenschritt neue Nationalismen als geboten erwarte. Meine Szenarien sehen verschiedene Raumm\u00f6glichkeiten vor, leider auch ein m\u00f6gliches geteiltes Deutschland, das sich auf mehrere R\u00e4ume erstreckt. Ich erwarte die neue Raumstruktur, weil ich die bisherige europ\u00e4ische Staatenwelt f\u00fcr zu schwach im globalen \u00dcberlebenskampf beurteile und Europa als Einheit in absehbarer Zeit unerreichbar ist. Die R\u00e4ume selber verbinden sich zu best\u00e4ndigeren Achsen oder tempor\u00e4ren Allianzen und k\u00f6nnen sich \u00fcber Jahrzehnte immer mehr verdichten. Die Staatsform oder besser Staatsphilosophie ist fundamental wichtig, da nur gleichartige Ideen \u2013 wie etwa die der \u201eHeiligen Allianz\u201c des 19. Jh. \u2013, Best\u00e4ndigkeit garantieren.<\/p>\n <\/p>\n Ich werde jetzt sehr geopolitisch, aber ich brenne darauf zu wissen, wie kann eine auch unter Rechten sehr beliebte multipolare Weltordnung funktionieren? Besteht ohne gro\u00dfen Leviathan oder Behemoth nicht die Gefahr einer Anarchie der Staaten, \u00e4hnlich wie beim Modell der souver\u00e4nen Nationalstaaten? Bedarf es hier nicht immer eines \u201eH\u00fcters\u201c, eines Hegemons oder einer Binarit\u00e4t zwischen den Kr\u00e4ften, so dass die Raumordnung immer wieder austariert wird? Wie w\u00e4re das bei dem Europa der R\u00e4ume? Sehen Sie hier einzelne L\u00e4nder mit Vormachtposition?<\/em><\/p>\n D.S.:<\/strong> Das f\u00fcr mich wahrscheinliche \u201eEuropa der R\u00e4ume\u201c sehe ich \u00fcbrigens auch f\u00fcr alle anderen Kontinente, dort ist diese Form z.T. bereits Realit\u00e4t, weil bestehende Staaten solchen R\u00e4umen schon entsprechen. Ich brauche mich da nicht um so viele Szenarien pro Raum zu bem\u00fchen.<\/p>\n Was ist denn Multipolarit\u00e4t? Hei\u00dft das einfach, es gibt mehrere globale Pole, die sich gegenseitig begrenzen? Muss es auf allen Kontinenten einen Pol oder mehrere geben? Was z\u00e4hlt eigentlich als Kontinent: Afrika gesamt oder haben wir n\u00f6rdlich und s\u00fcdlich der Sahara zwei Kontinente? Ist Asien ein ganzer Kontinent? Gelten transkontinentale Pole auch als multipolar?<\/p>\n Multipolarit\u00e4t wie sie von Alexander Dugin gefordert wird, sehe ich als utopisch an. Dugin gew\u00e4hrt seinen Polen einen ideologischen Pluralismus. Ich gebrauche den Begriff des \u201ePolyzentralismus\u201c. Es handelt sich dabei nicht einfach um eine alternative \u00dcbersetzung, sondern um eine Sonderform der Multipolarit\u00e4t: es gibt global mehrere Ordnung gestaltende R\u00e4ume \u2013 nicht nur einen pro Kontinent \u2013, die ideologisch gleichartig ausgerichtet sind und sich gegenseitig in Schach halten. So etwas wie einen \u201eZentralen Exekutivausschuss der Kommunistischen Internationalen\u201c kann ich mir nicht vorstellen, eine global agierende Organisation \u00fcber den R\u00e4umen halte ich f\u00fcr undurchf\u00fchrbar und auch nicht notwendig. Ich erwarte vielmehr eine Weltordnung wie im Mittelalter und Antike.<\/p>\n <\/p>\n Geopolitik wird gerade wieder beliebter. Jahrzehntelang hatte man den Eindruck, die Deutschen trauten sich nicht mehr \u00fcber Geopolitik nachzudenken oder gar \u00f6ffentlich dazu zu schreiben. Obwohl viele Rechte immer gerne Carl Schmitt zitieren, ist auch bei ihnen geopolitisches Denken sehr rar. Was glauben Sie woran das liegt?<\/em><\/p>\n D.S.:<\/strong> Die deutsche Rechte war und ist auch weitgehend noch mit sich selbst besch\u00e4ftigt und nach Innen orientiert: Themen wie Geschichtsrevisionismus, linke Werteumkehrung, die Interpretation tausender Briefwechsel Ernst J\u00fcngers mit Armin Mohler\u00a0 oder Verschw\u00f6rungsspekulationen haben eine Au\u00dfenorientierung verhindert. Ausnahme waren einige Randgruppen wie die Nationalneutralisten im Kalten Krieg, die raren Paneurop\u00e4er oder Anh\u00e4nger der \u201eThird Position\u201c. Ansonsten setzte man bei Thema deutsche Wiedervereinigung auf die USA. Im Hintergrund des Kalten Krieges durchaus nachvollziehbar.<\/p>\n Dann kommt der falsche Gedanke hinzu, dass Geopolitik immer mit tats\u00e4chlicher politischer Macht zu tun hat \u2013 welch ein Irrtum! Geopolitik kann von Einzelpersonen, Parteien und Zeitschriften betrieben werden. Ein weiterer Grund f\u00fcr die Vernachl\u00e4ssigung geopolitischer Themen liegt im Ignorieren von Wechselwirkungen: Geopolitik erscheint als pure Au\u00dfenpolitik, die ja schon nicht nur auf das \u00c4u\u00dfere beschr\u00e4nkt ist. Es gibt auch immer eine R\u00fcckkoppelung nach Innen. Mit durchdachten geopolitischen Konzepten kann ich z.B. das Ausland f\u00fcr mich interessieren. Auslandskontakte m\u00fcssen nicht immer politischer Art sein, man kann sie auch gesch\u00e4ftlich f\u00fcr das Politische nutzen.<\/p>\n <\/p>\n Sp\u00e4testens mit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine ist die Ordnung von Helsinki vollkommen in Frage gestellt. Bei den Rechten wird der Themenkomplex seitdem auch wieder popul\u00e4rer. Allerdings f\u00e4llt bei der Lekt\u00fcre der geopolitischen Analysen vieler rechter Theoretiker in Deutschland auf, wie jungfr\u00e4ulich sie damit noch umgehen. Tats\u00e4chlich handelt es sich ja um eines der wichtigsten Themenkomplexe \u00fcberhaupt, will man ernsthaft Staatspolitik betreiben. Glauben Sie, dass dieses Interesse nachhaltig ist? Wie ist das im Vergleich zum europ\u00e4ischen Ausland?<\/em><\/p>\n D.S.:<\/strong> Ja, speziell der Ukraine-Krieg hat ein Umdenken bewirkt: von den bestimmenden USA ist nicht viel zu h\u00f6ren und der Krieg ist nicht allzu weit entfernt. Die Rechte positionierte sich f\u00fcr die eine oder andere Seite, wobei manche Washingtons Weisung zu vermissen scheinen. Von einer echten geopolitischen Offensive kann aber keine Rede sein. Geopolitik wird wohl auch weiter stiefm\u00fctterlich behandelt oder hoch ideologisch betrieben. Es fehlt an gr\u00fcndlichen Analysen. Es wird zu sehr aus Affekt und Ideologie heraus theoretisiert. Das f\u00e4llt mir etwa bei der Beurteilung der BRICS oder Chinas \u201eNeuer Seidenstra\u00dfe\u201c auf, die begeistert rezipiert werden. Dabei gleicht China der Olsen-Bande: da ist immer alles \u201em\u00e4chtig gewaltig\u201c. Theoretisch scheinbar durchdacht, doch scheitert es an der Umsetzung, was Peking auch gar nicht anders erwartet, weil gar nicht notwendig. Chinas Mentalit\u00e4t betont das Formelle und Rituelle und steht damit im krassen Gegensatz zum Preu\u00dfischen oder Angels\u00e4chsischen.<\/p>\n Ich nehme drei Perspektiven ein: eine m\u00f6glichst sachliche, eine private und eine deutsche. Leider passen diese Perspektiven nur selten zusammen. Sachlichkeit ist geboten und das Abstimmen mit deutschen Interessen f\u00fchrt zu Nachhaltigkeit, das wird auch im Ausland honoriert. Bei den deutschen Rechten spielen pers\u00f6nliche Sympathien und Befindlichkeiten die entscheidende Rolle. \u00dcbrigens war das in der Zwischenkriegszeit nicht viel besser: Geopolitik ist f\u00fcr mich die deutscheste aller Wissenschaften, aber nur in der Theorie. Auf Haushofer Senior und Junior z.B. h\u00f6rte man sehr sparsam, das Ideologische war st\u00e4rker. Die praktischen Meister der Geopolitik waren Portugiesen, Briten und \u00d6sterreicher, heute lassen sich alle Staaten von Ideologie und Affekt leiten.<\/p>\n <\/p>\n Beobachtet man die europ\u00e4ische Rechte, so f\u00e4llt auf, dass zumindest einige L\u00e4nder sehr kommunikative Gruppen hervorgebracht haben. In Italien gibt es mehrere Denkfabriken, die international besuchte Konferenzen abhalten. In Frankreich ist es \u00e4hnlich. Russische Denkfabriken verbinden sich zunehmend mit europ\u00e4ischen. Damit einher gehen nat\u00fcrlich auch auf die L\u00e4nder zugeschnittene geopolitische Konzepte. Wie kann sich Deutschland hier positionieren, um nicht abgeh\u00e4ngt zu werden im europ\u00e4ischen Konzert der Rechten Geostrategien?<\/em><\/p>\n D.S.:<\/strong> Deutschland ben\u00f6tigt dringend seri\u00f6se Denkfabriken, die vom Ausland als ebenb\u00fcrtiger Partner akzeptiert werden. Solche Denkfabriken m\u00fcssen die Geopolitik wieder als Disziplin pflegen.<\/p>\n Angenehm \u00fcberrascht war ich, als die sonst so provinzielle und bornierte AfD nach der Dem\u00fctigung durch Madame LePen eine eigene EU-Fraktion initiierte. Die einzig richtige Antwort. Genial auch, LePens franz\u00f6sische Konkurrenzpartei mit ins Boot zu holen. Umso schlimmer dann, die rum\u00e4nischen Interessenten auszuschlie\u00dfen. Die beiden Gr\u00fcnde hierf\u00fcr \u2013 das Veto der ungarischen Nationalisten und der Vorwurf des Extremismus \u2013, sind nicht nachvollziehbar. Rum\u00e4nien geh\u00f6rt zu den wichtigsten Staaten Osteuropas und weist neben Griechenland zumindest auf dem Balkan keine Irredentaforderungen auf, stellt somit einen raren Stabilit\u00e4tsfaktor dar. Mit der Ablehnung der rum\u00e4nischen Nationalisten hat die kurzsichtige AfD Kredit in diesem Land verspielt.<\/p>\n <\/p>\n Wie sieht es mit rechten Gruppen in Asien oder Afrika aus? Hierzu gibt es gef\u00fchlt keinerlei Ber\u00fchrungspunkte zu deutschen oder europ\u00e4ischen Rechten. Will man eine neue Friedensordnung erlangen ist es aber wichtig auch dort mit entsprechenden Kr\u00e4ften zu kooperieren. K\u00f6nnen Sie uns L\u00e4nder oder Gruppen nennen, mit denen Sie eine Zusammenarbeit oder einen Austausch f\u00fcr sinnvoll halten? Von wem k\u00f6nnen die deutschen Rechten in solchen L\u00e4ndern lernen und was k\u00f6nnen sie dabei lernen?<\/em><\/p>\n D.S.:<\/strong> Selbstredend sind solche Verbindungen notwendig und f\u00f6rderlich: Ausl\u00e4ndische Adressaten von heute k\u00f6nnen Staatsf\u00fchrer oder zumindest wichtige Oppositionsf\u00fchrer von morgen sein. Ich lernte in den fr\u00fchen 2000ern Vertreter von Splitterparteien kennen, die sp\u00e4ter Verteidigungsminister, Diplomaten und wichtige Unternehmer wurden. Ich erw\u00e4hnte schon, dass solche Kontakte auch gesch\u00e4ftlich interessant werden k\u00f6nnen, zudem ist auch der geistige Mehrwert nicht zu untersch\u00e4tzen sowie die symbolische Wirkung. Staatsm\u00e4nnisches Auftreten und diplomatische Kunst lassen sich dabei erlernen jenseits des kumpelhaften wie heute so typisch.<\/p>\n Auf bescheidener Ebene waren es die europaweiten J\u00fcnger der \u201eThird Position\u201c, die sich um Kontakte nach \u00dcbersee bem\u00fchten. Zwei ganz andere Bsp. m\u00f6chte ich vorstellen: den alten LePen und dessen geistigen Lehrer Almirante vom italienischen MSI. Auf Basis parteiinterner ideologischer Str\u00f6mungen mit eigener Infrastruktur konnte LePen in den 1980ern umfassende und auch gegens\u00e4tzliche Kontakte nach \u00dcbersee erschlie\u00dfen: Japan, S\u00fcdkorea, Philippinen, Indien, T\u00fcrkei, Israel, Irak, Australien und \u00fcber die \u201eAntikommunistische Weltliga\u201c die Elfenbeink\u00fcste, Gabun, Togo und Kamerun. Lateinamerika war sparsam vertreten, daf\u00fcr Ozeanien, da es dort zwei franz\u00f6sische \u00dcberseebesitzungen gibt. LePens und Almirantes Kontakte sind imponierend: Staatsoberh\u00e4upter, Milit\u00e4rs, Unternehmer, Diplomaten und religi\u00f6se W\u00fcrdentr\u00e4ger. Sowohl LePens Front National als auch Almirantes MSI unterhielten parteinahe Firmen, die von solchen Kontakten profitierten. Die Schattenseite ist, dass Oligarchisierung und Pfr\u00fcndegeschacher noch mehr befeuert wurden. Alles hat eben zwei Seiten. Der selige F.J. Strau\u00df und Str\u00f6mungen der CSU pflegten vergleichbare Verbindungen oder die SPD wurde zur Hebamme der m\u00e4chtigen portugiesischen Sozialisten. Lohnenswert erscheinen mir zudem die Wirtschaftsaktivit\u00e4ten der SED in Luxemburg und Portugal.<\/p>\n Als Berater \u2013 und das soll jetzt kein Stellengesuch sein \u2013, empfehle ich \u00dcbersee betreffend China, Indien, Japan, Malaysia, Vietnam, Thailand, Indonesien, Iran, \u00c4gypten, T\u00fcrkei, Marokko, Brasilien, Argentinien, Chile, USA und Mexiko. \u00c4gypten und Marokko sehe ich als k\u00fcnftige Kristallisationszentren f\u00fcr die nordafrikanischen Ordnungspole. Gerade mit der islamischen Welt tut man sich hierzulande schwer: Nachdem in den fr\u00fchen 2000ern eine eher proislamische Haltung unter Europas Rechten dominierte, hat sich das inzwischen umgekehrt. Schuld ist die forcierte muslimische Masseneinwanderung. Was musste ich mir ob meiner proislamischen Haltung schon alles anh\u00f6ren! Welche Kurzsichtigkeit und Unkenntnis. Der gr\u00fcndliche Deutsche kann eben nicht zwischen Innen- und Au\u00dfenpolitik unterscheiden. Die Kalifats-Anh\u00e4nger sind hierzulande ein Faktor, in ihren Herkunftsl\u00e4ndern eine hoffnungslose Sekte, die islamisch-nationalistisch-v\u00f6lkische Symbiose oder gar Synthese ist l\u00e4ngst vollzogen. Antiislamische Rhetorik br\u00fcskiert alle Muslime auf Erden und verbaut vielversprechende Allianzen. Islamische Stiftungen finanzieren manchmal den Bau von Infrastruktur in Europa, aber ich kenne auch solche, die gern rechte Strukturen f\u00f6rdern w\u00fcrden.<\/p>\n Ich m\u00f6chte das Bsp. Togo f\u00fcr Afrika erw\u00e4hnen: dort lebt das Volk der Ewe, das sich nach der Teilung Deutsch-Togos in einer franz\u00f6sischen und einer britischen Kolonie wiederfand. Mit der Zerteilung unzufrieden, entwickelte sich als Reflex eine germanophile Haltung. So gab es sogar ernsthafte Bestrebungen, Togo zu einem Bundesland der BRD zu machen! Deutsche Rechte k\u00f6nnten sich als ehrliche Makler Schwarzafrikas prestigetr\u00e4chtig verkaufen und \u00fcber rechte Firmengr\u00fcndungen Wirtschaftskontakte erschlie\u00dfen. Gesch\u00e4ftlich regsame Auslandsdeutsche k\u00f6nnen eine weitere Vermittlerrolle spielen. Man sollte nicht vergessen, dass einst Portugiesen, Niederl\u00e4nder, Briten so vorgingen und es aktuell Chinesen und Russen ebenso tun.<\/p>\n <\/p>\n Kommen wir zur\u00fcck nach Deutschland. Bei aller Kritik \u00fcber die Deutsche Rechte. W\u00fcrden Sie dennoch sagen, dass sich hier in der j\u00fcngeren Vergangenheit etwas getan hat? Ich meine, es gibt durchaus einige Bewegungen in Richtung Europa, intellektuellen Austausch und Seminare \u00fcber Strategien sowie verschiedene Theorien innerhalb der Rechten.<\/em><\/p>\n D.S.:<\/strong> Keine Frage, die Gesamtqualit\u00e4t ist gestiegen. Im Kontrast zu den 1980ern bis 2000ern erleben wir eine Steigerung. Wir sind keine \u201eResterampe\u201c mehr. Verglichen mit Frankreich, Italien oder Russland sieht es jedoch immer noch bescheiden aus. Auch Polen, Spanien, Belgien und Rum\u00e4nien haben intellektuell mehr zu bieten. Es ist ein Segen, dass meine Prognose eintraf, wonach es nicht die selbstherrlichen Sonnenk\u00f6nige der rechten Szene sein werden, die vom Rechtstrend profitieren, sondern bisher abseitsstehende frische Kr\u00e4fte. Statt einer Politszene mit Subkulturen und Ghettocharakter haben wir heute ein politisches Lager, das sich aus mehreren sozi\u00f6konomischen Milieus speist, der Schritt zu einem eigenen Politmilieu steht indes noch aus.<\/p>\n Im Kulturellen und K\u00fcnstlerischen hat die aktuelle Rechte einiges zu bieten. Es gibt \u00e4sthetisch ansprechende Zeitschriften und Internetauftritte und die Sozialen Medien sind erschlossen, aber es fehlt an Denkern. Es wird zu wenig im Gro\u00dfen gedacht und zu viel \u00fcberfl\u00fcssig gegr\u00fcbelt, was sich automatisch ergibt. \u00dcber theoretische Defizite und Dilettantismus hatten wir ja schon gesprochen. Vermittlerrolle spielen. Man sollte nicht vergessen, dass einmal Portugiesen, Niederl\u00e4nder, Briten und aktuell Chinesen und Russen genauso vorgehen. Vermittlerrolle spielen. Man sollte nicht vergessen, dass einmal Portugiesen, Niederl\u00e4nder, Briten und aktuell Chinesen und Russen genauso vorgehen.<\/p>\n <\/p>\n Hier geht es zu Teil 2<\/strong><\/a><\/p>\n <\/p>\n Weitere vertiefende Lekt\u00fcre von Dominik Schwarzenberger finden interessierte Leser u.a. in folgenden Essays und Artikels auf diesem Blog:<\/strong><\/p>\n Von der Ohnmacht der Deutschen Rechten<\/a><\/p>\n Dritte Position: Portr\u00e4t einer Weltanschauung<\/a><\/p>\n Die Wahl zum europ\u00e4ischen Parlament: R\u00fcckschau, Analyse und Ausblick<\/a><\/p>\n1.\u00a0\u00a0 Begriffsdefinitionen und ideologische Grundlagen der Rechten<\/h1>\n
\n
2.\u00a0\u00a0 Geopolitik und internationale Einfl\u00fcsse<\/h1>\n
\n