Jean-Marie Le Pen ist am Dienstag, dem 7. Januar 2025, im Alter von 96 Jahren gestorben. Damit verliert die Welt nicht nur einen gro\u00dfen Politiker, der Geschichte geschrieben hat: Sie verliert insbesondere einen verlorengegangenen Typus \u2013 einen echten, anst\u00e4ndigen Kerl. \u00dcber Le Pens Werdegang ist viel geschrieben worden und seine Lebensstationen sowie insbesondere sein Wirken f\u00fcr den Front National sind gut dokumentiert. Darum soll an dieser Stelle ein Mensch gew\u00fcrdigt werden, der \u00fcber ein halbes Jahrhundert das Leben von Millionen von Franzosen ersch\u00fctterte: als politischer Held, als Volkstribun, als Gro\u00dfvater. Als jemand, der von den Franzosen, seinem Volk, verehrt oder gehasst wurde. Und der aufgrund seines Wesens auch eine Art \u201eArchetyp\u201c seines Volkes war.
\nLe Pen suchte stets die N\u00e4he zu seinen Volksgenossen und liebte die Geselligkeit, das Zuh\u00f6ren, das gemeinsame Erleben und auch Erleiden. Er war kein Politiker, der von kaltem Wahlinteresse geleitet wurde, sondern der mit seinen Menschen sein wollte und sein Volk aufrichtig liebte. Aufgrund der F\u00fclle seiner T\u00e4tigkeiten und Verantwortlichkeiten stets gefordert, lie\u00df er dennoch wenig Gelegenheiten offen, auch nach seinen politischen Veranstaltungen bis tief in die Nacht hinein mit den \u201eeinfachen\u201c Menschen in den Gemeinden Zeit zu verbringen, zu singen und zu tanzen. In einer Anekdote \u00fcber ihn fragt Le Pen einen Bekannten bei geselligem Zusammensein, ob dieser wisse, warum er (Le Pen) mit den \u00e4lteren Damen aus dem bodenst\u00e4ndigen Frankreich nach den Treffen immer bis sp\u00e4t in den Abend im Dorfsaal tanze, obgleich er etwas anderes zu tun h\u00e4tte. Auf die Verneinung des Bekannten hin antwortet Le Pen: \u201eWeil es sie im Herzen erhitzt; weil sie nur noch das haben. Die anderen verachten sie.\u201c Die Abgehobenheit und Abgrenzung der selbsternannten Elite gegen\u00fcber dem einfachen Volk war ihm zuwider und mehr noch – sein entschiedener Feind.
\nDabei hegte er jedoch auch keine Nostalgie f\u00fcr das vergangene Frankreich, was bei erstem Betrachten seiner milit\u00e4rischen Laufbahn naheliegen k\u00f6nnte. Er war schlicht ein aufrichtiger Patriot, der die Menschen seines Volkes und seine Zeit trotz ihrer Niederlagen liebte. Damit verk\u00f6rperte er so vieles, was heutige Politikertypen, auch innerhalb des rechten Milieus, vermissen lassen. Er war ein gro\u00dfartiger Politiker, weil er eben nicht \u201enur\u201c ein Politiker war. Er war schlicht ein Mann, mit allem, was ebendies ausmacht. Seine \u00dcberzeugungen waren ihm heilig. Lobbyabh\u00e4ngigkeiten und Gef\u00e4lligkeiten lehnte er ab. Seine Sprache war dabei oft direkt und f\u00fcr mancher eins auch \u201eobsz\u00f6n\u201c. F\u00fcr ihn gab es nur einen Weg \u2013 geradeaus. Und diesen war er bereit zu gehen, allen Widrigkeiten zum Trotz. Damit verkrachte er sich selbst innerhalb der eigenen Familie. M\u00f6gen seine Aussagen streitbar gewesen sein, bei Le Pen wusste man, woran man war. Er war nicht nur ein \u201eHaudegen\u201c und \u201eSteher\u201c, wie ihn Karl Richter in einer sehr pers\u00f6nlichen Anekdote charakterisierte, sondern eben ein ganz gro\u00dfer Charakter. Einer, dessen Abgang die politische B\u00fchne weiter an authentischen Vertretern verarmen l\u00e4sst.
\nDie Wenigsten verm\u00f6gen zu sagen, was es mit einem Menschen macht, wenn nahezu ein ganzes Leben schlecht \u00fcber ihn gesprochen, geschrieben, geschrien wird. Ihm, Le Pen, scheint es wenig angehabt zu haben. Seine Lebensfreude, seinen Frohsinn, seine Leichtigkeit lie\u00df er sich nicht nehmen. Zu tief waren Glaube und Hingabe zu seinem Volk und zu seiner Mission in ihm verankert. Den Deutschen war er auf Lebzeit innerlich verbunden. Zuviel verband ihn in positiver Hinsicht mit diesem Land und diesem Volk, dessen Kultur er sch\u00e4tzte und dessen Sprache ihm in Teilen gel\u00e4ufig war. Immer wieder bem\u00fchte er sich um politische Kooperationen mit der deutschen Rechten, getrieben von dem Gedanken an ein Europa der starken V\u00f6lker. Es bleibt zu hoffen, dass noch etwas von seinem Geist \u00fcbriggeblieben ist.
\nZum Abschluss noch eine kleine, bewegende Anekdote \u00fcber Jean-Marie Le Pen, die verdeutlicht, wie nah er am Ende seines Lebens doch auch bei den scheinbar \u201ekleinen\u201c Dingen geblieben ist:
\nIm Alter von 94 Jahren besucht ein befreundetes Paar Jean-Marie Le Pen in seinem Haus. Er ist bei klarem Verstand und macht sich zwischen zwei gesungenen Liedern Sorgen \u00fcber die Weltdemografie und den allgemeinen Mangel an Mut bei den Franzosen und den Politikern. Daraufhin ruft ihn seine Tochter Yann an, um ihm vom Tod eines alten Hundes der Familie zu erz\u00e4hlen. Im Anschluss legt Le Pen auf, legt beide H\u00e4nde flach auf den Tisch, atmet tief durch und blickt zum Horizont. Nach einer Pause erz\u00e4hlt er seinen G\u00e4sten mit der bewegten Stimme eines alten Mannes: \u201eMit fast 100 Jahren hat man den Weltkrieg erlebt, man hat Eltern und Freunde auf dem Schlachtfeld verloren, man hat Ereignisse gesehen, die Millionen Menschen das Leben kosteten. Man wei\u00df, was das Ende und die Krankheit sind… Und doch ist man noch immer vom Tod eines kleinen Bastards bewegt\u201c!
\nJean-Marie Le Pen \u2013 mit dir verl\u00e4sst ein ganz gro\u00dfer Franzose, Europ\u00e4er und Mann die B\u00fchne. Adi\u00e9u.<\/p>","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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