Eine Positive Kritik: Fehlende Visionen

von | 10. Mai. 2017 | Debatte

Der nachfolgende Text ist als eine positive Kritik an die deutsche Rechte zu verstehen. Keineswegs möchte der Autor oder die Redaktion die edlen Beweggründe des Einzelnen infrage stellen, der sich aktiv im Geschehen um Europa einbringt. Dennoch halten wir diese Kritik für notwendig, um bereits zu oft wiederholte Fehler in Zukunft vorzubeugen. Möge der Text seinen Teil zur Erschaffung einer neuen Rechten beitragen. Die Redaktion

Die Rechte hat keine Visionen mehr. Sie stochert im politischen Dunkeln herum und trifft dabei nur selten ins Schwarze. Sie klammert sich an alte Vorbilder, ohne diese der Gegenwart entsprechend weiterzuentwickeln. Die Rechte hinterließ ein ideologisch-weltanschauliches Vakuum. Auch die stetige Wiederholung von Phrasen, die das Gegenteil versprechen, kann an diesem Umstand nichts ändern.  Die sich in Deutschland befindenden aktiven rechten Gruppen haben es bis heute nicht geschafft, sich aufzuraffen, um eine einheitliche Rechte zu formieren. Zugegeben ist dies u.a. auch auf das Fehlen einer charismatischen Führungsfigur zurückzuführen. Bisher ist niemand auch nicht einmal in der Ferne zu erblicken, der diese Rolle übernehmen könnte und die Rechten zumindest zeitweise einigt. An eine grundlegende Einigung glaube ich zwar nicht, dennoch halte ich es für möglich, wenn nicht sogar für notwendig, dass die diversen rechten Strömungen ihre Graben- und Weltanschauungskämpfe zumindest bis zum Sturz des linksliberalen Establishments zugunsten einer Wende zurückhalten. Dies wird höchstwahrscheinlich solange nicht passieren, bis jemand kommt, der aufgrund seiner charismatischen Ausstrahlung und seinem politischen Fingerspitzengefühl vermag, die Rechte für diesen Zweck zu einigen. Es gibt zwar innerhalb der deutschen Rechten einige durchaus interessante Persönlichkeiten, die Führungseigenschaften, ja teilweise sogar die Fähigkeit, die Massen zu ergreifen, besitzen, doch scheitern diese häufig an ihrer Eitelkeit. Im Glauben, sie wären die tatsächlichen und rechtmäßigen Führer, beanspruchen sie den politischen Thron für sich allein und verschätzen ihre eigentliche Rolle. Die Neider und Eitlen wird es wohl immer geben, doch die Tatsache, dass es keine Vision gibt, kein Banner, hinter dem sich alle Rechten versammeln und das sie für eine höhere Sache einspannt, ist kein gutes Zeichen.

Die Uneinigkeit der Rechten: Welchen Weg sollen wir gehen?

Obgleich die Grundfesten unseres Volkes dabei sind, aufgelöst zu werden, streiten sich die Rechten über Äußerlichkeiten, die die inhaltliche Natur der Sache nicht einmal peripher tangieren. So glauben sich die diversen rechten Parteien jeweils auf dem einzig richtigen Pfad zu bewegen. Die einen setzen auf den Populismus, die anderen auf radikal-fundamentalistische Positionen, „die nach außen vertreten werden müssen“. Die einen verstehen sich als Volkspartei, die anderen als politische Elite. Beide haben insgesamt jedoch nur mäßigen Erfolg. Mag die AfD derzeit mit ihrem eher populistischen Kurs viele Stimmen in sich vereinigen können, ist sie von einem tatsächlichen Machtwechsel – der in diesem Fall die Mehrheit von über 50 % bedeuten würde – weit entfernt. Die eher radikal-fundamentalistischen Parteien, wie Der Dritte Weg, sehen sich als rechte Elite und laufen mit ihrem eher martialischen Auftreten Gefahr, verboten zu werden. Dann gibt es da noch die NPD, deren langfristige Strategie überhaupt nicht erkennbar ist. Die Basis scheint zu einem großen Teil radikal-fundamentalistisch ausgerichtet zu sein, während der Großteil der Führung sich in einer AfD 2.0 zu üben versucht. Diese starke Divergenz zwischen Führung und Mannschaft wirkt sich als Bremse aus und bedeutet, bei langfristig fehlender Abhilfe dieses Umstandes, den politischen Tod. Hinzu kommen die außerparlamentarischen Organisationen, wobei die Identitäre Bewegung wohl die derzeit wichtigste sein dürfte. Auch hier sehen wir ein deutliches Lavieren. Die Führung wird nicht müde, sich von sog. „altrechten“ Forderungen zu distanzieren. Glaubt man einem der wohl wichtigsten Akteure dieser Gruppe, Martin Sellner, dann bedeute dies, den Standpunkt der dritten politischen Theorie einzunehmen. Ich werde zu einem späteren Zeitpunkt noch auf diesen Umstand eingehen. Jedoch sind die Aktivisten der IB an keine der vorhergenannten Parteien gebunden und lassen sich weitestgehend die Zusammenarbeit offen. Obgleich sie sich von Parteien wie Der Dritte Weg und NPD nach außen hin distanzieren, wirken sie durch ihre Mischung aus kreativen Aktionismus und kulturellen Aktivitäten, die eher an völkische Gruppen, wie den Sturmvogel oder der verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend erinnern, attraktiv auch auf „Altrechte“. Die Verstrickungen zur Alternative für Deutschland sind denke ich dem Leser unlängst bekannt.

Jene, die jetzt fragen möchten, welcher der o.g. Wege nun der richtige ist, muss ich enttäuschen. Es gibt ihn nicht. Die Mischung macht es. Sowohl der Parlamentarismus wie auch außerparlamentarische Aktivitäten, die mittels metapolitischen Ansätzen versuchen, einen Stimmungswechsel innerhalb der Gesellschaft hervorzurufen, sind notwendig für die Wende auf allen Ebenen. Auch die Frage nach der Bildung einer Elite oder einer Volksbewegung, die die Massen ergreift, kann nur so beantwortet werden: Beide Modelle sind wichtig. Wir brauchen die Masse früher oder später als Verschiebekraft für die Revolution. Diese müssen allerdings geführt werden. Daher bedarf es einer Elite innerhalb der Rechten, die die Rechte führt und die, wenn es soweit ist, auch das Volk anführt. Der Populismus und allgemein die Parteiarbeit bergen die Gefahr in sich, jene, die sich meinetwegen aus edlen Motiven in den benannten Organisationen eingefunden haben, von ihrem Weg abzubringen. Wir haben an einer anderen Stelle bereits über das „Eherne Gesetz der Oligarchie“ von Robert Michels gesprochen. Der Populismus ist oberflächig. Das muss er auch sein, will man das Volk erreichen. Gerade heute, wo es den Menschen an nichts zu fehlen scheint, ist es umso schwieriger sie mit weltanschaulichen Inhalten zu ergreifen. Die Massen verstehen unsere Kernforderungen nur schwer. Sie müssen mit Ereignissen konfrontiert werden, die sie unmittelbar auch emotional betreffen. Dies geht zumeist über GEZ-Zwangsgebühren, Massenzuzug von Scheinasylanten und deren Auswirkung auf die ökonomische Lage jedes Einzelnen nicht hinaus. Nichtsdestotrotz ist der radikal-fundamentalistische Weg genauso wichtig. Er darf sich nur nicht darauf versteifen, das Volk zu erfassen. Er muss nach innen gerichtet werden. Er muss die Rechten immer wieder an ihre Motive und Ursprünge erinnern. Seine Aufgabe ist es, der Rechten eine Vision zu geben. Sie weltanschaulich und ideologisch zu formen.

Eine Vision schaffen bedeutet, eine Grundlage schaffen!

Es ist schwer, Ziele zu formulieren, wenn man keine Vision vor Augen hat. Eine Vision ist anders als ein Ziel keine ganz klar definierte Größe, welche quantitativ oder qualitativ bestimmt werden kann. Sie ist nicht zeitlich zu erfassen und gleicht zu Beginn eher einer Utopie als einem erreichbaren Zustand. Die Utopie ist ein Traum, der jedoch von seinen Träumern in ihren eigenen Reihen bereits gelebt wird, obwohl er von einer kollektiven Wahrheit weit entfernt ist. Die Träger der Vision verkörpern das Neue, die Welt, die nach der Revolution geschaffen wird. Die rechten Visionäre träumen also von einem rechten „Utopia“. Dieses „Utopia“ zu schaffen muss die erste Aufgabe der Rechten sein. Auch wenn es für so manchen recht paradox klingen mag, so glaube ich dennoch, dass uns die großen Grundideen fehlen. Tatsächlich sehe ich das Hauptproblem darin, dass die Rechten häufig über die Fixierung an Altbestehenden oder historischen Vorbildern nicht hinauskommen. Bedenken wir doch, dass diese Vorbilder, die Zeiten, von denen so mancher Rechter schwärmt[1], vorbei sind. Sie sind gewesen. Damit sind sie Vergangenheit. Die Akteure, besonders jene, die maßgeblich ihre Zeit beeinflussten, schufen eine Idee, schufen eine Bewegung, die ihrer Zeit entsprechend war. Gestalten werden nicht von der Geschichte hervorgebracht, sondern sie verändern sie. Die großen Revolutionäre kannten freilich die Geschichte. Sie studierten sie aufmerksam. Doch blieben nicht darin gefangen. Sie gingen weiter. Sie formten aus dem Bestehenden und aus dem Bestandenen etwas Neues, etwas Werdendes. Sie blieben nicht mit der Geschichte stehen, sondern schrieben sie weiter. Die Schaffung einer Vision, eines „rechten Utopia“ ist die große Aufgabe der Rechten. Sie muss die Rechten, ganz gleich welcher Couleur, vereinigen. Zumindest bis das linke Establishment durch eine neue, von einem rechten Paradigma bestimmenden Elite abgelöst wurde. Die Vision ist die Grundlage einer jeden größeren Bewegung. Eine Bewegung, die keine Vision hat, wird nicht längerfristig überleben können. Die Vision ist der Gegenentwurf zum Status Quo. Sie verkörpert die neue Welt, die nach der Revolution aufgebaut werden soll. Sie stellt das Band der Revolutionäre dar. Sie vereint sie gegen den Feind. Der Feind sind all jene, die diese Vision gefährden. Wie diese Vision aussehen kann, werden wir zu einem späteren Zeitpunkt besprechen.

 

[1] Dabei möchte ich mich keineswegs auf jene beschränken, die zu gerne ein Drittes Reich 2.0 hätten. Es handelt sich auch um jene, die sich auf weit davor liegende Persönlichkeiten fixieren. 

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