Von Memmen und Löwen: Eine Beckmesserei an die weinerliche Rechte

von | 13. Juni. 2018 | Philosophie & Theorie

„Der europäische Bruchstückmensch mit ‚großen Ohren‘, nur ‚großem Mund und Augen‘ oder ‚kleinem Körper‘, auch der ‚mit großem Kopf‘ und ‚dünnen Fadenleib‘ oder umgekehrt muß verwandelt werden in eine gutproportionierte Erscheinung, aus der ein edler Geist leuchtet.“

Herbert Schweiger –

In meinem ersten Artikel, in dem es mir erlaubt war, für das Projekt „Gegenstrom“ zu schreiben, behandelte ich bereits die Thematik Friedrich Nietzsche, dialektisch verbunden mit dem kategorischen Imperativ und seiner Umsetzung im Leben. Heute will ich mich mit dem geneigten Leser in ein weitaus kritischeres Feld begeben.

Ist die Rechte ein Haufen wimmernder Knaben oder hat sie den Charakter, gerade und stark für ihre Sache einzustehen?

Gerade die sozialen Medien schäumen ja über von politik- und gesellschaftskritischen Seiten und genau diese will ich etwas näher in meiner eigenen Denkweise betrachten.

Zum Ersten stellt sich wieder die Frage, warum ich eben die massive Streuung in den sozialen Medien betrachte. Dem ist mit Antwort schnell genüge getan, denn eben das ist die Außenwirkung rechter Protagonisten. Und diese wirkt für mich oft wie das jämmerliche Wimmern kleiner Schafe, nicht das Brüllen von Löwen, die den Anspruch auf Macht haben.

Wird jemand überfallen, verletzt, zusammengeschlagen, bedroht, genötigt und belästigt, hält der Homo civilis, eine verbürgerte Abart der Gattung Mensch, es lediglich für notwendig, seine Schwäche in den sozialen Netzwerken zu präsentieren, hoffend auf ein wenig Mitleid, mit wirren Forderungen an eine Regierung, die seine Belange schlichtweg nicht interessieren, während er auf der anderen Seite erfolglos den Rücktritt dieser Regierung fordert.

Das Schaf also bittet den Schäfer, der es schlug und unrecht behandelte, dass der Metzger ihn gnädiger behandeln sollte. Wo der Löwe beißt, blökt das Schaf. Und so ist es mit dem zivilisierten Menschen.

„Nur eine Sünde: Feigheit!“

 – Friedrich Nietzsche, nachgelassene Fragmente, Sommer/Herbst 1882 –

Der zivilisierte Bürger hat sich selbst eingeredet, seine Regierung liebe ihn, das Heer schütze ihn und der Polizist wache über ihn. So hörte ich immer wieder, dass man die Regierung und die Herrschenden zwar nicht möge, es einem aber doch ganz gut gehe. Anstatt nun, in wilderen Zeiten, das Gefäß der Seele zu stärken und sich selbst zu stählen, um seine Lieben schützen zu können, erlaubt man sich lieber das bekannte bürgerliche Gewimmer, auf der Straße, bei Mahnwachen und Demonstrationen, wie auch im Netz. Dahinter steht weder das Zeigen von Stärke, noch der Anspruch auf Macht, der, wie in meinem ersten Artikel beschrieben, der Gemeinschaft dienen soll. Wahrgenommen wird man als Kleckerhaufen, der nichts des Beanspruchten widerspiegelt. Für mich offenbart sich so in erster Linie ein Mensch, dem es nicht gelegen ist, seine Situation grundlegend zu ändern, sondern sich als Opferlamm somit in den Mittelpunkt stellen zu können. Solche Menschen werden schlichtweg nicht als Personen wahrgenommen, die etwas verändern könnten.            

Genau wie bei Demokraten, Ultraliberalen und anderen Zivilisierten hat die Bevölkerung durch die Wahl seinen Willen und seine Eigenverantwortlichkeit verloren. Die Wahl existiert lediglich als Möglichkeit, die Verantwortung über das eigene Leben abzugeben und immer einen Pol zu haben, den man als Grund nennen kann, dass das eigene Leben nicht auf die richtige Bahn kommt. Es amüsiert mich regelrecht, sich in grenzenloser Euphorie zu baden, wenn man für sich selbst ausreichend Prozente an Opportunisten gewonnen hat, ohne in den Folgejahren etwas an der Grundsituation zu ändern. So könnte jede Partei herrschen, der Gedanke der Menschen bleibt der Selbe. Unwillig, unfähig, unwichtig. Wer seinen eigenen Geist, seine Art zu leben nicht zu ändern vermag, vermag das nie im Großen.

Nun stellt sich sicher die Frage, weshalb ich einen solchen Umstand amüsiert auffasse. Nun, nach vielen Jahren, in denen ich versuche diese Zeit zu ergründen, bin ich zu zwei entscheidenden Erkenntnissen gekommen:

Die erste Erkenntnis beschreibt diese Zeit, die den Sehenden wohl zum Weinen reizen: Die Menschen sind durch die Digitalisierung des Individuums zu willen- und entscheidungsunwilligen Menschen geworden. Es gibt keine Weltsicht mehr, nur das „Ich denke, also ist es ein totales Dogma.“.

Nun, diese erste Erkenntnis an sich motiviert den geneigten Leser sicher nicht, der ganzen Tragik einen gewissen Humor abzuverlangen. Doch wie beim Boxkampf, beim Schach, in der Diskussion oder anderen Wettkämpfen, gibt es oft einen Moment in welchem man denken könnte, die Sache stünde nicht gut.

Wer aber die Weitsicht hat, drei oder vier Züge vor dem Gegenüber zu stehen, ist guter Dinge, hat er zwar eben einen harten Schlag abbekommen, ahnt für sich aber, dass die Dinge sich wenden. Und dies ist meine zweite Erkenntnis, die es mir erlaubt, angesichts der verheerenden Katastrophe die Stoa zu üben:

Ich bin überzeugt, dass die Menschen in der Lage sind, sowohl Geist als auch Körper zu aktivieren und frei zu denken und zu handeln. Niemand ist in seine Ketten gezwungen, niemand ist gezwungen, in Ketten nicht zu singen. Man mag am Anfang, mit wenigen Gefährten, wie ein Narr oder Ketzer klingen und auch so behandelt werden, wenn man das absolute Dogma der Herrschenden antastet. Doch bin ich der festen Überzeugung, dass es den Menschen innewohnt, logisch zu denken. Und dies kann man am besten alleine für sich oder im kleinen Kreise.

Ich möchte mir erlauben, zum besseren Verständnis einige ältere Zeilen von mir zu zitieren, die ich eben genau in Bezug auf die getroffene Aussage geschrieben habe. Der Einfluss des Zarathustra ist hier auch sehr ausgeprägt:

„Und so langte er den Samen des letzten Korns, Er, der letzte Mensch

und baute nach Mühen aus dem letzten Holze eine Stelle für seinen toten Gott.

Und der nächste Mensch trat vorbei, verlachte den Narren nicht, ließ ihn in seinem Wahnsinn

zurück, stählernen Blickes ohne jede Würdigung. Er ging vorbei, spannte das Pferd und pflügte den Acker zu neuer Saat und besseren Leben, denn er wusste, so wäre es richtig.“

Der werte Leser könnte nun anhand meines Gedankenantagonismus der Neigung erliegen, alles sei mit den Gesetzen von Le Bon, der Verhaltensforschung und der Politikwissenschaft manifestiert, dass eben diese Tatsachen so seien, man an ihnen nicht drehen könne.

Die Frage aber ist, je nach Freiheit des eigenen Geistes, wie man selbst diese Metamorphose abschloss, aus einer nach Bestätigung lechzenden Raupe, die sich am Müll der sozialen Medien, der Presse, der Politik fett fraß, in einen Kokon der Einsamkeit schloss, diese Einsamkeit suchte, um sich eben selbst zu ergründen, zu finden, zu entdecken und eine eigene, tiefe Wahrheit zu ergründen. Einen Waldgang wohl, wie es Ernst Jünger schrieb. Der Mensch wird durch einen Gedanken geächtet, aus der Gesellschaft ausgeschlossen, findet seine Identität in der Einsamkeit und taucht als aufblühender Falter wieder auf, der rein aus sich selbst heraus strahlt.

Einzig eine solche Entwicklung erscheint mir heute noch sinnvoll. Es ist mir ein Begehr, mich selbst dahin zu entwickeln, meine Gefährten eben auf diesen Gang vorzubereiten, um sie dabei zu begleiten. Nun ist es auch berechtigt, meinen Weg zu erfragen, den ich dem interessierten Leser darbringen möchte. Es ist mir ein äußerst wichtiges Begehr, zuerst zu sagen, dass ich mich selbst lange nicht an meinem Ziel wähne.          

„Wer glaubt etwas zu sein, hat aufgehört etwas zu werden.“

-Sokrates-

Diese Weisheit des Sokrates soll der erste Punkt sein, den ich ans Herz zu legen gedenke. Wir alle denken auf der einen Seite, dass wir viel mehr sind, als wir tatsächlich darstellen, während wir auf der anderen Seite unser volles Potential gar nicht ausschöpfen. Man soll sein Antlitz nicht wahren, sondern es veredeln. An sich arbeiten. Und ich sehe einen Weg darin, sich sowohl körperlich als auch geistig ästhetisch zu erhalten. Wie schon in meinem ersten Artikel erwähnt, erachte ich den Mensch als Dialektik aus Körper und Seele, die ein höheres Besseres, wie Hegel beschrieb, nur schaffen kann, wenn sich diese Gegensätze nicht ausschließen. Man muss sich bilden. In allen Belangen. Und das besagt nach seiner Etymologie „schöpfen, erschaffen“. Ich zweifle an Denen, die alles nur fein säuberlich nach dem Munde des Meisters gelernt haben, genau wie an jenen, die im zwanghaften Schaben an ihrem Körper nur ein wenig Bestätigung ersuchen. Sich selbst in ein ästhetisches Bild rücken und selbst genug lernen, dass man schaffen kann, ist für mich ein toller Ansatz, den ich gerne lebe.

Gemeinschaft. Wer kann schon in vollkommener Einsamkeit leben? Niemand, wer auch noch so groß darüber schrieb. Es ist schon ein Axiom, dass man nicht nicht kommunizieren kann. Hier ist aber wichtig anzumerken, dass nicht jede Gruppe von Menschen auch eine Gemeinschaft bildet. Diese hilft aber, ist Balsam für die Seele. Menschen, die ähnlich denken, gleich fühlen, einander zugehörig fühlen können, sich nicht nur gegenseitig zu höheren Bergen führen, sondern mahnen, sich selbst zu neuen Höhen zu begeben. Natürlich sucht der Sehende auch seine Einsamkeit, um sich selbst neu zu finden und dann auch innerhalb einer Gruppe oder Gemeinschaft seinen Platz einzunehmen. So können auch Organisationen den meiner Ansicht nach richtigen Weg finden, wenn Ihnen sich selbst bewusste Menschen vorstehen, die rein aus sich selbst heraus diese Prinzipien ausstrahlen.

Auch unter widrigsten Bedingungen ein gutes Leben anstreben. Was ich im ersten Teil des Artikels schon beschrieben habe ist die Unart des Menschen, sich geradezu epiktisch in ihrem Leid zu wälzen. Das kann aber für einen starken Menschen kein Weg sein.

Selbstverständlich ist diese Zeit sehr hart für uns und mancher mag wohl manchmal an ihr verzweifeln. Verzweifelt nur, solange ihr nicht aufgebt! Wenn man an sich selbst arbeitet, merkt man dies meist auch im Leben und verbessert seine eigene Stellung. Dies ist unerlässlich, um in der Politik nicht wie das kleine weinerliche Kind zu erscheinen, sondern der Fels zu sein, der den Widrigkeiten widersteht und somit auch einen Anker, einen Leuchtturm für Andere darstellt.

Möge der geneigte Leser nicht meinen Weg mitten im Walde finden, sondern den Seinen. Seinen Platz soll er dann finden, da, wo er hingehört, wo er frei nach seinem Können und Schaffen nicht nur etwas für sich macht, sondern für einen größeren Kreis Menschen, hin, zu einem höheren Menschen. Wer in der Gesellschaft seinen Weg außerhalb des Hamsterrades findet, kann mit seinem Weg dann nach allen Künsten der Werbung attraktiv für Andere sein.

„Wie die Natur, so hell und schön, kann auch der Mensch in Blüte stehen.“

-Matthias Klemm, Der Kirschbaum, Lenz 2017-.